Erster Titelverteidiger seit 2018? Diese Gefahren drohen den Boston Celtics – NBA – Basketball



Die Boston Celtics hoffen, 2025 die Ära der Parität vorerst für beendet zu erklären und ihren Titel zu verteidigen. In gewisser Weise wirkt das Team dazu prädestiniert – es drohen aber auf dem Weg auch einige Gefahren.


Die NBA erlebt eine Phase der Parität, wie es sie schon lange nicht mehr gegeben hat. Das ist kein frommer Wunsch, sondern ein simpler Fakt: Seit 2018 gab es keinen Repeat mehr, in jedem Jahr gewann ein anderes Team die Meisterschaft. Dass über sechs Jahre sechs verschiedene Teams Meister wurden, gab es zuletzt in den 70ern.


Boston will versuchen, diese Phase zu beenden. Das wollten die Teams vor ihnen logischerweise auch, erreichten beim Versuch aber jeweils nicht einmal die Conference Finals. Die Celtics jedoch wirken auf ungewöhnliche Weise prädestiniert dafür, kein One-Hit-Wonder zu sein; einerseits, weil ihre gesamte Kernrotation zurückkehrt und alle wichtigen Vertragsfragen geklärt sind. Die Offseason lief perfekt, in dieser Hinsicht zumindest.


Und andererseits ist da die Dominanz: Auf dem Weg zum 24er Titel verzeichneten sie in der Regular Season das drittbeste Net-Rating der NBA-Geschichte und gingen 16-3 in den Playoffs, was seinerseits nur einmal getoppt wurde, seitdem 16 Siege für den Titel nötig sind. Sie waren eine historische Dampfwalze, hoben sich eindeutig ab gegenüber sämtlichen Konkurrenten.


Es ist nur folgerichtig, dass dieses Team auch in die kommende Saison als Favorit geht – was ihnen aber nichts garantiert. Die folgenden Gefahren drohen den Celtics auf ihrem Weg, den ersten NBA-Repeat seit den Warriors der Kevin-Durant-Ära zu schaffen …



Jayson Tatum wurde mit den Boston Celtics Champion.
picture alliance / ASSOCIATED PRESS

1.       Die Konkurrenz ist (wahrscheinlich) besser


Oder? Auch wenn Boston in den Playoffs selbst fast permanent auf einen seiner wichtigsten Spieler verzichten musste, war der Weg in der Postseason sicherlich angenehmer, als er hätte sein können: Im Osten trafen die Celtics weder auf Giannis Antetokounmpo, noch auf Joel Embiid, Jimmy Butler oder Jalen Brunson – sie entgingen fast allen anderen vermeintlichen Top-Teams der Conference. Die Heat, Cavaliers und Pacers verloren vor oder im Laufe der Serien gegen Boston jeweils weitere Leistungsträger.


In den Finals trafen sie auf ein starkes, aber trotzdem überfordertes Mavs-Team, das ihnen Matchup-technisch entgegenkam – mehr als beispielsweise Denver, das einzige Team, gegen das Boston in der vergangenen Saison eine negative Bilanz aufwies (0-2). Was übrigens auch die Celtics zum Teil anerkannt haben.


„Die Leute fragen mich immer, wann ich wusste, dass wir den Titel gewinnen“, sagte etwa Jayson Tatum kürzlich. „Als Minnesota Denver geschlagen hat. Ich hatte das Gefühl, dass Denver das einzige Team war, das gegen uns ein gutes Matchup hatte. Ich dachte, wir spielen gegen Denver in den Finals und dass es eine ziemlich gute Serie wird.“


Das schmälert ihren Titel nicht, weil man bekanntlich nur die Teams schlagen kann, die vor einem stehen, aber der Weg hätte offensichtlich komplizierter sein können.


In der kommenden Saison wird dies auf die Probe gestellt. Die Knicks und Sixers haben aufgerüstet, Milwaukee wird versuchen, sein eigenes Chaos der Vorsaison hinter sich zu lassen und wieder zum echten Contender zu werden. Natürlich können sich Verletzungen wieder melden, aber auf dem Papier sieht der Herausforderer-Kreis im Osten besser aus als im Vorjahr.


Für die Western Conference gilt das ebenso. Es gibt zwar kein Team, vor dem sich die Celtics verstecken müssten, aber gerade die Nuggets stellen mit ihrer Größe ein Matchup dar, das sie etwas mehr herausfordern könnte als die 2024er Gegner-Riege. Gerade angesichts der Center-Position, denn …

2.       Die Gesundheit von Kristaps Porzingis


Porzingis war 2024 nur in sieben Playoff-Spielen dabei und biss in den Finals für drei Spiele auf die Zähne, obwohl er schon da eigentlich unters Messer gehört hätte. Das wurde dann kurz nach den Finals erledigt, als der Lette für seine „seltene Fuß- und Beinverletzung“ (gerissenes Retinaculum und ausgerenktes hinteres Schienbein) operiert wurde.


Einen offiziellen Zeitplan für seine Rückkehr gibt es seither nicht – klar ist aber, dass Porzingis den Saisonstart verpasst, zeitweise war von fünf bis sechs Monaten Pause die Rede. Sechs Monate würden bedeuten, dass er erst Anfang 2025 zurückkehrt. Angesichts seiner Verletztenhistorie ist davon auszugehen, dass Boston eher vorsichtig mit ihm umgehen wird und es potenziell auch noch etwas länger dauern könnte.


In der Regular Season ist das aufgrund der Tiefe des Teams voraussichtlich kein Problem. Al Horford ist ja noch da, ebenso wie Luke Kornet, Neemias Queta und Xavier Tillman, der nach seinem Trade in der vergangenen Saison nun ein ganzes Training Camp mit den Celtics absolvieren und vielleicht mehr Verantwortung übernehmen kann.



Kristaps Porzingis wird vermutlich erst 2025 sein Comeback geben.
IMAGO/Jan Huebner


Spannender wird das Thema in Richtung Playoffs, und auch darüber hinaus. Horford ist 38 Jahre alt und der einzige Leistungsträger mit einem auslaufenden Vertrag – vielleicht, weil er selbst noch nicht weiß, ob er über 2025 hinaus noch weiterspielen möchte. Für den 24er Titel war Horford als Switch-Big essenziell, spielte 30 Minuten pro Partie in den Playoffs.


Die Celtics trafen bei ihrem Run allerdings auf keinen dominanten Brett-Center, weshalb sie auch damit klarkamen, Jayson Tatum de facto Center spielen zu lassen. Bei etwaigen Duellen gegen Embiid, Giannis oder Jokic wäre das womöglich anders. Abgesehen davon, dass die eigene Offense mit KP oft ein Level erreichte, das ohne ihn so nicht erreichbar war.


2024 reichte es offensichtlich trotzdem mit Porzingis als ultimativem Luxus. Das muss sich so 2025 nicht wiederholen. Seine hoffentlich vollständige Gesundung mag für die Titelverteidigung nicht alleinentscheidend sein, würde die Chancen des Teams aber doch um ein Vielfaches erhöhen. Er kann der Faktor sein, der das Team beinahe unschlagbar erscheinen lässt.

3.       Die unklare Ownership-Situation


Kurz nach der Meisterparade überraschte Celtics-Besitzer Wyc Grousbeck mit der Ankündigung, dass seine Familie ihre Mehrheitsanteile an den Celtics nach 22 Jahren verkaufen wolle. Der Plan sehe vor, den Prozess bald zu starten (laut Boston-Guru Bill Simmons steigt der Verkauf „im November“), aber erst bis 2028 zu beenden – bis dahin will Grousbeck als Team-Governor involviert bleiben. Was idealerweise nicht so holprig laufen wird wie der Verkaufsprozess der Timberwolves, der nun vor Gericht verhandelt werden muss …


Wie genau es laufen wird, ist wiederum nicht klar. Oder, wer sich das Team angeln wird, auch wenn es einige interessierte Kandidaten gibt. Was den Preis angeht, wird spekuliert, dass es sich um eine Summe zwischen fünf und sechs Milliarden Dollar handeln wird. Der NBA-Rekord liegt aktuell bei vier Milliarden Dollar, die Mat Ishbia vor zwei Jahren für die Phoenix Suns zahlte.



Wyc Grousbeck (r.) ist noch der Hauptanteilshaber der Boston Celtics.
IMAGO/USA TODAY Network


Positiv aus Team-Perspektive ist jedoch: Grousbeck übergibt seinen etwaigen Nachfolgern ein Team, das über die nächsten Jahre unheimlich teuer sein wird – wer noch keinen langfristigen neuen Vertrag hatte, bekam diesen in der Offseason (Tatum, Derrick White, Payton Pritchard und Sam Hauser verlängerten alle bis mindestens 2028).


Individuell muss sich kein wichtiger Celtic darum Sorgen machen, dass der Verkauf des Teams sich negativ auf das eigene Konto auswirken wird. Höchstens darum, dass man früher oder später umziehen muss – die Bücher sind so voll, dass Boston Stand jetzt 2026 knapp 220 Millionen Dollar NUR an Luxussteuer zahlen müsste (via Spotrac), was auf Dauer wohl dazu führen wird, dass das Team nicht ewig so zusammenspielen kann.


Aber das dürfte kein Problem für die kommende Saison sein. Ob die Schlagzeilen rund um den Verkauf das Team in irgendeiner Weise ablenken werden, muss sich wiederum noch zeigen.

4.       Disease of Me


Heat-Pate Pat Riley erklärte in seinem früheren Leben als Meister-Coach der Lakers mal dieses Phänomen, das nahezu jedes Erfolgsteam heimsucht: Wenn ein Ziel (also der Titel) erstmal erreicht ist, will jeder die angemessene Wertschätzung für seine individuelle Leistung haben und läuft dadurch Gefahr, den Zusammenhalt, der für den Erfolg eigentlich nötig war, zu gefährden. Spieler und auch Coaches wollen zum Teil mehr Geld, mehr Spielanteile, mehr Liebe, mehr alles, so Riley. Diesen Impuls zu managen, sei eine der größten Aufgaben auf dem Weg zu einer Titelverteidigung.


Das Geldproblem besteht bei den Celtics nicht. Was die Spielanteile angeht: White, Horford und Jrue Holiday bilden ein Triumvirat an (essenziellen) Veteranen, die für pure Opferbereitschaft stehen und bereits gezeigt haben, dass sie gern alles Individuelle für den Teamerfolg hergeben. Nicht zuletzt deshalb spielten White und Holiday wichtige Rollen für Team USA bei Olympia.


Tatum und Jaylen Brown hätten das sicherlich auch gerne getan. Brown indes wurde gar nicht erst nominiert und legte sich in der Folge mit USA Basketball an, sagte, das sei politisch (beziehungsweise durch die Sponsorensituation) motiviert. Tatum war dabei, aber nicht so richtig.


Hinter den lebenden Legenden auf seiner Position fiel er zum Teil aus der Rotation und war der elfte Mann im Team, was viele Beobachter des Teams erzürnte, auch wenn er selbst (richtigerweise) kein Fass deswegen aufmachte. Zumindest nicht nach außen hin.



Jayston Tatum und Jaylen Brown sind die Stars der Boston Celtics.
picture alliance / ASSOCIATED PRESS


Positiv aus Celtics-Perspektive betrachtet könnte man diesen Umgang mit den beiden Stars als Geschenk sehen: Offensichtlich haben die Jays noch immer einiges zu beweisen. Negativ betrachtet? Das uneigennützige Spiel und der Erfolg haben nicht dazu geführt, dass Tatum in Top-5-Diskussionen auftaucht, auch ein Finals-MVP-Award war ihm nicht vergönnt.


Verleitet das ihn (oder Brown) dazu, stärker auf die eigenen Zahlen zu achten, könnte das ein Problem werden. Gerade Tatum hat fairerweise allerdings über insbesondere die letzte Saison und auch im Sommer den Eindruck erweckt, dass er die Wichtigkeit eines gesunden Teamgefüges versteht und nicht (mehr) denkt, dass er stets derjenige sein muss, der durch seine Punkte die Kohlen aus dem Feuer holt.


Eine seiner größten Qualitäten als Superstar ist es, dass er wandlungsfähig ist und mittlerweile nahezu jede Rolle auf dem Court übernehmen kann, offensiv wie defensiv. Behalten er und Brown diese Bereitschaft bei, wird es auch 2025 ziemlich schwer für die restliche Liga sein, diese Celtics zu knacken.


Möglich erscheint es trotz dieser potenziellen Hürden also durchaus, dass Boston seinen Titel verteidigen kann. Wobei das ohnehin der falsche Begriff ist, wenn man den Coach fragt. „‘Den Titel verteidigen‘ ist eine sehr passiv-aggressive Beschreibung“, erklärte Joe Mazzulla kürzlich bei Locked on Celtics.


„Wenn man sich das Tierreich ansieht, dort verteidigen einige der stärksten Tiere gar nicht; sie sind die aggressivsten, und sie greifen am meisten an. Egal ob sie gewonnen oder verloren haben, ihre Einstellung darf sich nicht ändern. Man muss aggressiv bleiben. Du verteidigst nicht, du greifst ein neues Ziel an.“


Auf zum Angriff also!

© – by kicker.de

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