Es gibt Transaktionen, die sollten normalerweise universell zu Anerkennung führen, vielleicht sogar Bewunderung. Etwa: Ein Team, das gerade etwas überraschend das Haifischbecken namens „Western Conference“ als Sieger (Alpha-Hai?) verließ, holt in der Offseason einen viermaligen NBA-Champion, der zu den besten Spielern aller Zeiten in einer Kategorie gehört, die bei diesem Team nicht ausreichend vorhanden war, was sich gerade in den Finals negativ bemerkbar machte.
Einen Spieler, der nach seiner Karriere schnell ein Hall-of-Famer sein wird, und der noch vergangene Saison 18 Punkte im Schnitt erzielte sowie 38 Prozent von draußen traf. Wie gesagt: Es ist ein Wechsel, der auf dem Papier eine Homerun-Verpflichtung sein sollte.
Ist es auch, finden manche – gerade in Dallas – zumindest. Andere allerdings stellen in Frage, ob sich der amtierende Vizemeister überhaupt einen Gefallen mit dieser Verpflichtung getan hat. Der Fall von Klay Thompson und den Dallas Mavericks ist augenscheinlich ein bisschen komplizierter.
Klay Thompson: Einfach in der Ecke stehen und abdrücken
Nicht, dass an der grundsätzlichen Kombination etwas verkehrt wäre. Neben Luka Doncic und Kyrie Irving braucht es fähige Shooter, und Klay ist einer der besten Shooter, welche die Liga jemals gesehen hat. Auch mit nun 34 Jahren: „Ich meine, man kann mich immer noch nicht offen stehen lassen“, sagte Thompson vor kurzem zu ESPN. Und das stimmt natürlich.
Vergangene Saison traf er 38 Prozent seiner Catch-and-Shoot-Dreier – das war für seine Verhältnisse sogar unterdurchschnittlich. „Wenn er in der Ecke oder auf dem Flügel steht, und einfach den Ball von Luka oder Kyrie fängt und werfen kann, das macht sein Leben hoffentlich ein bisschen leichter“, erklärte Minderheits-Besitzer Mark Cuban.
Dass Klay nach wie vor auch zu den besten Schützen aus der Bewegung gehört, macht ihn für die Mavs sogar noch wertvoller, weil er mit seinen Off-Ball-Aktionen auch mal etwas kreative Last von den Schultern der Guards nehmen kann. Offensiv gibt es wenig Zweifel an seinem Fit – er ist als Shooter gegenüber Derrick Jones Jr. ein Upgrade, wie es größer kaum sein könnte. Abgesehen von seinem langjährigen Splash-Bruder gibt es kaum einen Spieler, der die gegnerische Defense so beschäftigt, wenn er sich irgendwo in der Nähe der Dreierlinie aufhält.
Um die Offense der Mavs, die über die letzten fünf Jahre immer zwischen Platz eins und zwölf ligaweit rangierte (vergangene Saison: Platz acht), muss sich höchstwahrscheinlich auch in 24/25 niemand Sorgen machen. Die Finals wurden allerdings nicht nur durch die Brillanz an diesem Ende erreicht.
Dallas Mavericks: Wie sieht die Defense aus?
Über die Saison belegten die Mavs beim Defensiv-Rating zwar nur einen schwachen 17. Platz – das lag allerdings an der ersten Saisonhälfte. Über den letzten Saisonmonat stellte Dallas eine Top-3-Defense. Zur Trade Deadline schaffte es das Team, seine Identität zu transformieren, nicht zuletzt wegen der Deadline-Neuzugänge P.J. Washington und Daniel Gafford.
Aber auch nicht zuletzt dank Jones, der ab dem 7. März in jedem Spiel startete und auch in den Playoffs stets den besten Wing-Scorer auf gegnerischer Seite verteidigte, damit die Guards das nicht tun mussten. Eine Rolle, die nun wahrscheinlich auf Thompson übergeht, da es sonst in der (wahrscheinlichen) Starting Five eigentlich an Alternativen fehlt.
Nun ist Jones kein All-Defensive-Team-Mitglied, wie es Klay 2019 mal war – in der heutigen Zeit allerdings ist er defensiv wesentlich höher einzuschätzen. Was niemanden verwundern sollte: Thompson hat nacheinander einen Kreuzbandriss und einen Achillessehnenriss erlitten, natürlich ist er nicht mehr so beweglich wie zuvor, auch wenn er zumindest weiter ein kräftiger Spieler ist, der auch gegen größere Forwards dagegenhalten kann.
Was in Dallas allerdings auch oft die Rolle von Doncic ist, der für die kleineren Guards schlichtweg nicht schnell genug ist. Die (laterale) Geschwindigkeit ist wiederum der Bereich, der bei Klay nach seinen Verletzungen am meisten gelitten hat. Früher wäre er für diese Rolle prädestiniert gewesen, mittlerweile ist er das eigentlich nicht mehr.
Dallas Mavericks: Ein anderes Grundrezept
Thompson verändert im Vergleich zu Jones auch die Dynamik des Teams in signifikanter Manier. Das Playoff-Rezept der Mavs war recht simpel erklärt: Zwei Spieler zauberten, der Rest arbeitete, war groß, variabel, physisch und enorm athletisch, was sich gerade gegen die Thunder als großer Trumpf herausstellte. Wenn die Arbeiter dann auch noch offene Dreier trafen, war Dallas nur sehr schwer zu bezwingen.
Mit Washington, Gafford und Dereck Lively II, dem größten Hoffnungsträger im Team, hat Dallas diesen athletischen Trumpf noch immer, aber eben „nur“ noch auf zwei Positionen. Klay repräsentiert etwas anderes, eine fixe dritte Option, die es zuvor in der Form nicht gab. Das kann die Mavs bereichern, es nimmt von ihrem erprobten Rezept zweifellos aber auch etwas weg.
Was kein Problem sein müsste. Dallas hat auf dem Flügel nicht nur Klay, neu sind beispielsweise ja auch Quentin Grimes und Naji Marshall, Dante Exum ist als Point-of-Attack-Verteidiger auch noch da. Wer es sich ganz leicht machen will, kann darauf verweisen, dass Klay jährlich sogar rund drei Mio. Dollar weniger verdient als der Spieler, der vergangene Saison die drittmeisten Punkte für Dallas erzielte und dessen Kaderplatz er nun übernommen hat.
Ein Upgrade gegenüber Tim Hardaway Jr. ist Thompson natürlich, ohne Zweifel. Nur …
Dallas Mavericks: Klay Thompson ist nicht Tim Hardaway
Hardaway war (zumeist als Bankspieler) ein fester Bestandteil der Mavs und spielte die viertmeisten Minuten, bis die Playoffs losgingen. Dort warf ihn Jason Kidd zum Teil komplett aus der Rotation, weil auf Defense gesetzt werden sollte. Es half nicht, dass Hardaway sich bei seinen wenigen Einsätzen dann auch noch in einem Slump befand, der bis Spiel 4 der Finals andauerte, wo er den Celtics immerhin nochmal fünf Dreier reindrücken konnte.
So oder so: Es war verständlich, dass Hardaway anderen Optionen zum Opfer fiel, als es „ernst“ wurde – kritisiert wurde Kidd dafür wenig bis gar nicht. Bei Klay wäre das anders, sollte es dazu kommen, selbst wenn es sportlich vielleicht auch gerechtfertigt sein könnte. Weil er ja nicht irgendein Catch-and-Shoot-Spezialist ist, sondern Klay Thompson, der künftige Hall-of-Famer.
Wie viele Legenden vor ihm hat Thompson einen Punkt seiner Karriere erreicht, an dem Reputation und Anspruch und reales Leistungsvermögen nicht mehr so richtig zusammenpassen. Die Shooting-Skills hat er nicht verloren, ein Two-Way-Star ist er aber nicht mehr. Das kann zu Komplikationen für die jeweiligen Teams und Spieler sorgen – sonst hätte Dallas Klay auch nicht aus Golden State loseisen können.
Klay Thompson: „Despektierlicher“ Umgang der Warriors
Die langjährige Liebe hatte seinen Stolz verletzt. Mehrfach. Ein neuer Vertrag hatte während der Saison keine Priorität (wenngleich die Warriors ihm davor 48 Mio. über zwei Jahre boten – in Dallas bekommt er 50 über DREI Jahre). Seine Rolle fluktuierte, erstmals seit seinem Rookie-Jahr musste Thompson sogar 14-mal als Bankspieler ran, was ihm überhaupt nicht gefiel.
„Hier herzukommen, ist ein frischer Beginn für mich. Einfach wieder das Gefühl zu haben, gewollt zu werden“, sagte Thompson bei seiner Vorstellung in Dallas. „Es gab letztes Jahr Zeiten, als es schwer war, als es nicht so viel Spaß machte wie in der Vergangenheit. Es ist schön, das jetzt einfach abzulegen.“
Ablegen konnte Klay diese Negativität auch deshalb in Dallas, weil ihm, wie Shams Charania berichtete, eine gewisse Minutenzahl und auch ein Platz in der Starting Five „garantiert“ wurden. Was Mavs-Fans durchaus nervös machen könnte – weil es nicht gesagt ist, dass eine Starting Five mit Luka, Kyrie und Klay auf den „kleinen“ Positionen defensiv funktionieren kann.
Dallas Mavericks: Wirklich ein Schritt nach vorne?
Vielleicht tut es das. Vielleicht ist der offensive Mehrwert ohnehin so groß, dass sich der Trade-Off lohnt – gut möglich, dass sich die Mavericks wieder mehr in Richtung der Ligaspitze beim Offensiv-Rating bewegen. Wie gesagt: Daran, dass Klay den beiden Stars das Leben erleichtern und Platz schaffen wird, kann es eigentlich keinen Zweifel geben.
Die Mavericks spielen jedoch nicht für Offensiv-Ratings in der Regular Season. Sie wollen Meister werden, die Zeit maximieren, die sie mit Doncic haben. Sie wollen dafür sorgen, dass 2024 kein Ausrutscher wird, sondern eher die Ankündigung von etwas noch Größerem.
Es wird sich erst zeigen müssen, ob diese Verpflichtung sie diesem Ziel wirklich näher bringt, oder ob es sich eher um einen lateralen Schritt handelt. Anders sind die Mavs mit Klay Thompson auf jeden Fall. Ob sie auch besser sind, wenn es darauf ankommt, ist die wichtigere Frage. Die Antwort darauf können Klay und die Mavs allerdings erst im Frühling 2025.