NBA: Der größte Free-Agency-Fail aller Zeiten? Wie die Magic Shaq vergraulten – NBA – Basketball


Shaquille O’Neal und die Orlando Magic – das passte. Das war sogar eine Traumhochzeit, so wirkte es eingangs zumindest. 1992 draftete die da erst drei Jahre alte Franchise an Position eins den Center, den mehr Hype begleitete als jeden Rookie seit Patrick Ewing – und der diesen Hype sogar übertraf.

Von Tag 1 an war Shaq ein MVP-Kandidat, ein transformativer Spieler für die Franchise, die gesamte Liga. Der kleine Markt Orlando war für ihn kein Hindernis; Shaq überstrahlte mit seinem Charisma alles, drehte Filme, rappte erfolgreich, wurde zur Werbefigur auf beinahe Jordans Level. Schon in seinem dritten Jahr erreichte Orlando die 1995er Finals und räumte auf dem Weg dorthin die Bulls aus dem Weg. MJ war gerade erst vom Baseball zurückgekehrt, trotzdem: Das war ein Vorgeschmack, es sollten diverse weitere Trips in die Finals und Ringe folgen.

So war das zumindest eigentlich gedacht – in der Realität gab es bloß noch eine gemeinsame Saison, ehe O’Neal von den Los Angeles Lakers abgeworben wurde. Das war ein Coup, der nahezu jede andere Transaktion der NBA-Geschichte überstrahlen sollte. Und die Magic halfen eifrig mit.

Shaq: Alles sprach für die Magic

Eigentlich hatte Orlando im Sommer 1996 nahezu alle Tools zu seiner Verfügung, um O’Neal langfristig an sich zu binden. Verträge waren damals deutlich weniger reguliert als heute, wo Shaq nach vier Jahren ein Restricted Free Agent gewesen wäre und Orlando die komplette Kontrolle über seinen nächsten Deal gehabt hätte. Die hatten sie nicht, aber sie hatten die nächstbesseren Argumente auf ihrer Seite.

Die Magic konnten, kurzum, viel mehr Geld bieten als alle anderen Interessenten. Ihnen waren gar keine Grenzen gesetzt, anders als heute. Es gab zwar einen Salary Cap (24,3 Mio. Dollar – heute eine Saison von Terry Rozier!), aber dank der Bird Rights konnten Teams diesen Wert für ihre Free Agents überschreiten, ohne die heutigen, harschen Luxussteuer-Implikationen sogar.

Andere Teams machten sich diese Freiheiten zunutze. 1996 wurde erstmals die 100-Mio.-Dollar-Grenze gesprengt, Shaqs Big-Man-Konkurrenten Juwan Howard und Alonzo Mourning erhielten von ihren Teams 105 Mio. über sieben Jahre. Zwei Deals, von denen einer recht gut und einer ziemlich mies alterte.

Orlandos erstes Angebot an Shaq, der in der Hackordnung weit über beiden stand? 54 Mio. über vier Jahre, wie sich Joel Corry bei CBS Sports erinnerte, der damals auf Seiten von Shaqs Agent Leonard Armato als Berater arbeitete. Ein Angebot, das fürchterlich alterte – zumal die Magic im Zuge dessen auch noch Shaqs Defense und Rebounding kritisierten, wohl um die niedrige Zahl irgendwie zu rechtfertigen.

Shaq: Nicht genug für einen Max

Shaquille O'Neal wurde in Orlando nicht glücklich.
Shaquille O’Neal wurde in Orlando nicht glücklich. IMAGO/PCN Photography

Die Vorstellung ist aus heutiger Sicht, wo regelmäßig Spieler maximal entlohnt werden, bevor sie (Restricted!) Free Agents werden oder Star-Status erreichen (2024 waren Cade Cunningham, Evan Mobley oder auch Orlandos Franz Wagner gute Beispiele dafür), irgendwie lustig – Shaq, einem viermaligen All-Star, einmaligen MVP-Zweiten und Topscorer der Liga, wurde von den Magic suggeriert, er sei nicht wirklich gut genug, einer der Topverdiener der NBA zu sein.

Wer das für eine Lappalie hält: Wie sich über seine Karriere zeigen sollte, waren Rivalitäten auch mit den eigenen Teamkollegen für Shaq keine Seltenheit. „Sie haben gesagt, es sei Pennys Team“, erklärte Shaq später mal im Oprah Masterclass Podcast. „Das Ego hat sich gemeldet, also habe ich dann die Free Agency getestet.“

Shaq zu den Lakers: Das Meisterstück des Jerry West

Magic-Executives haben in der Folge immer wieder spekuliert, dass Shaqs Agent seinen Schützling ohnehin nach L.A. hatte lotsen wollen, O’Neals Camp zufolge ging es zunächst aber immer darum, in Orlando zu bleiben. Das habe sich erst nach diesen Gesprächen geändert. „Danach sagte er: ‚Schau‘, was es sonst noch so gibt‘“, sagte Armato zu EssentiallySports.

Interessenten gab es natürlich einige – aber nicht allzu viele Teams, die Shaqs Forderungen (mehr als Howard und Mourning, natürlich) erfüllen konnten. Auch Lakers-Macher Jerry West blitzte mit seinem ersten Angebot (96 Mio.) ab – Armato sagte, ein Angebot unter 100 werde sich sein Klient gar nicht erst anhören. Und eigentlich wolle er am liebsten gleich 150 Mio. haben. West erbat sich ein paar Tage Zeit und ging an die Arbeit.

Und wie er das tat. Seinen Starting Center Vlade Divac (und dessen Jahresgehalt von 8,5 Mio. Dollar) schickte er nach Charlotte für die Draft-Rechte an einem 17-Jährigen namens Kobe Bryant in einem Move, der die spätere Dynastie erst möglich machte, UND den Lakers Geld sparte.

Zudem tradete er die Verträge von George Lynch und Anthony Peeler weg, um sein Angebot noch weiter erhöhen zu können.

Shaq: 90% Idioten!

In der Zwischenzeit erkannten auch die Magic, dass Gefahr im Verzug war – allerdings wohl zu spät und vielleicht nicht „genug“. Ihre Angebote besserten sie nach, Corry zufolge konterten sie die Offerten der Lakers mit wahlweise 64 Mio. über vier Jahre oder 109 über sieben Jahre mit einer Ausstiegsklausel nach vier Jahren. Shaq hatte sich diese nach drei Jahren gewünscht. Das bestmögliche Angebot wollte die Franchise ihrem Superstar noch immer nicht unterbreiten, angeblich wurde noch immer über jedes kleine Detail gefeilscht.

Im Laufe dieser Verhandlungen führte der Orlando Sentinel dann auch noch eine Umfrage bei seinen Lesern durch, ob Shaq 115 Mio. Dollar wert sei. Über 5.000 Anrufer sollen sich gemeldet haben – und über 90% der Antworten waren negativ.

„Das sagt mir, dass über 90 Prozent der Leute in Orlando Idioten sind“, sagte O’Neals Team-USA-Teamkollege Charles Barkley damals, der sich während all dieser Ereignisse mit Shaq (und Penny) auf die 1996er Olympischen Spiele vorbereitete.

Im privaten Gespräch wurde sein Rat an O’Neal noch expliziter. „Willst du mich verarschen? Du bringst Ruhm und Glanz in dieses Kaff voller Rednecks, und das denken sie von dir? Hau‘ ab, so schnell du kannst. Scheiß‘ auf diese Leute“, soll Barkley laut dem Buch „Three-Ring Circus“ von Jeff Pearlman zu Shaq gesagt haben.

Shaq: Glanz & Gloria in L.A.

Auch bei Shaq hinterließ diese Umfrage Spuren, wie er später bestätigte – auch deshalb, weil seine Mutter Lucille damit konfrontiert wurde. „Es hat mich geärgert. Sehr. Ich würde nicht sagen, dass es mich verletzt hat, aber ich mag es nicht, mich nicht ausreichend gewürdigt zu fühlen“, so O’Neal.

Dieses Problem gab es bei den Lakers nicht. West verkaufte Shaq die glorreiche Geschichte der Franchise, die er selbst mitgeprägt hatte – die aber vor allem auch von Center-Legenden gespickt war. Mikan, Chamberlain, Abdul-Jabbar, O’Neal? Das klang folgerichtig. Ebenso wie die 121 Mio. Dollar über sieben Jahre, die L.A. dem Big Man letzten Endes anbot.

Shaq gab seine Zusage – und veränderte damit auf einen Schlag die Kräfteverhältnisse in der Liga. West wusste damals noch nicht, dass er soeben die beste Woche in der Geschichte eines NBA-Executives hingelegt hatte, dafür bemerkte er den Stress: Kurz nach dem Ende der Verhandlungen verbrachte er aufgrund von Erschöpfung mehrere Tage im Krankenhaus.

Der „Fluch des Shaq“ hält an

Was danach in Los Angeles passierte, ist hinlänglich bekannt – und legendäre NBA-Geschichte. In Orlando wiederum fragt man sich seither, wie man diese eigentlich so gute Ausgangslage so massiv verzocken konnte. Pat Williams, der damalige Senior Vice President der Magic, sprach schon 2006 vom „Fluch des Shaq“, von dem man sich noch immer erholen müsse.

2024 wartet die Franchise noch immer auf ihren ersten Titel, auch wenn 2010 immerhin ein zweites Mal die Finals erreicht wurden. Eine Ära der Dominanz, wie sie 1995 möglich erschien, hat Orlando noch nie erlebt. Was auch Shaq bedauert, der sogar bei seiner Aufnahme in die Hall of Fame sagte, „manchmal“ wünsche er sich, er wäre geblieben.

„Eigentlich wünschte ich mir, dass es ein Gesetz wäre, dass man bei dem Team bleiben muss, das einen draftet“, sagte Shaq damals in einer Aussage, die nicht im Geringsten zu der Player-Empowerment-Ära passt, die er selbst durch seinen Wechsel mit eingeleitet hat. Die Restricted Free Agency allerdings wurde tatsächlich schon 1999 eingeführt und hätte den Magic drei Jahre früher ermöglicht, Shaq de facto zum Bleiben zu zwingen.

1996 waren sie selbst dafür verantwortlich, den Big Diesel von einer gemeinsamen Zukunft zu überzeugen. Sie hatten auch damals (fast) alle Argumente auf ihrer Seite – und vergeigten es trotzdem.

© – by kicker.de

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