Sicherheitsgipfel: DFB und DFL zurückhaltend, Fanvertreter besorgt – Fussball



Die Politik fordert eine Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen gegen die Gewaltproblematik in Stadien – obwohl die Anzahl der Vorkommnisse unverändert bleibt. Die Delegation von DFL und DFB zeigt sich zurückhaltend, die Fanvertreter werden gar nicht erst eingeladen.


Hans Joachim Watzke und Bernd Neuendorf (re.) sind Teil der Delegation von DFL und DFB.

IMAGO/ActionPictures


Die vierköpfige Delegation von DFL und DFB wird beim Spitzengespräch mit den Sport- und Innenministern der 16 Bundesländer sowie Bundesinnenministerin Nancy Faeser in München einen schweren Stand haben. Seit Monaten geht die Politik verbal in die Offensive, was die Gewaltproblematik in den Stadien betrifft – obwohl sich an der Anzahl der Vorkommnisse wenig geändert hat. Was einige Mitglieder der Sportministerkonferenz (SMK) und Innenministerkonferenz (IMK) nicht daran hinderte, sich im Vorfeld mit Hardliner-Vorschlägen zu Wort zu melden. Die Sitzungsteilnehmer von DFL (Hans-Joachim Watzke und Marc Lenz) und DFB (Bernd Neuendorf und Stefan Brost) halten sich mit öffentlichen Statements vorerst zurück, um kein Öl ins Feuer gießen.

Verletzungsrisiko liegt bei 0,005 Prozent


In den Gedankenspielen des bayerischen Innenministers und SMK-Vorsitzenden Joachim Herrmann sowie seiner Kollegen ist von personalisierten Tickets, Spielabbrüchen, Punktabzügen oder Fan-Ausschlüssen die Rede. Solchen Überlegungen erteilen die Fußball-Organisationen eine Absage und haben eigene Verbesserungsvorschläge erarbeitet. Für eine drastische Verschärfung der Maßnahmen sehen sie keinen Anlass. Bei fast 23,95 Millionen Besuchern in den drei höchsten Ligen sowie im DFB-Pokal im aktuellen Polizeibericht – der sich auf die Saison 2022/23 bezieht – ist von 1176 Verletzten die Rede. Damit liegt die Wahrscheinlichkeit, bei einem Fußballspiel verletzt zu werden, bei 0,005 Prozent und damit in einem ähnlichen Bereich wie beim diesjährigen Münchner Oktoberfest, das die Münchner Polizei in ihrem Abschlussbericht als „friedliche Wiesn“ titulierte.


Die AG Stadionsicherheit von DFB und DFL arbeitete mehrere Empfehlungen aus. Dabei handelt es sich unter anderem um Metalldetektoren am Einlass, einen verstärkten Dialog mit den Fans und mehr Prävention. Gleichzeitig soll bei der Bestrafung wegen des Einsatzes von Pyrotechnik unterschieden werden, welche Gefahr von den Handlungen ausgeht, zum Beispiel ob eine Fackel in der Hand bleibt oder geworfen wird. Der bisherige Strafenkatalog macht dabei keinen Unterschied und führt zu immer neuen Rekordstrafen. Ferner könnten Klubs mit großer Anhängerschaft künftig verpflichtet werden, zusätzliche Stellen für Fanbeauftrage zu schaffen. Kollektivstrafen wie Zuschauerausschlüssen, die vom DFB-Sportgericht seit 2017 nicht mehr verhängt werden, erteilte die AG eine klare Absage.

Fanvertreter? Fehlanzeige


Welche Begleiterscheinungen ein Teilausschluss sogar mit sich bringen kann, zeigte sich Anfang Oktober beim Niedersachsenderby zwischen Eintracht Braunschweig und Hannover 96, wo auf Anordnung von Innenministerin Daniela Behrens das Gästekontigent um 40 Prozent reduziert werden musste. Beim 2:0-Sieg der Hausherren blieb es im Stadion friedlich, wobei die Fanszene Hannover das Spiel boykottierte. Dafür krachte es im Landkreis Gifhorn bei einer Massenschlägerei, an der 200 Personen beteiligt gewesen sein sollen.


Die Fanvertreter blicken mit Sorge auf den Sicherheitsgipfel  – sie sind nicht eingeladen. „Wir haben wir die große Befürchtung, dass aufgrund der Zusammensetzung des Treffens ein sehr einseitiges Bild von der aktuellen Situation in und um die Stadien gezeichnet werden wird“, schreibt Vorstandsmitglied Linda Röttig vom Dachverband der Fanhilfen in einem offenen Brief an Bundesinnenministerin Faeser. Der SMK-Vorsitzende Herrmann hat im Vorfeld „Horrorgeschichten, die nichts mit der Realität zu tun haben“ verbreitet. Was nichts daran ändert, dass der Fußball an einigen Stellen ein Problem mit Gewalt hat und dass sich die Gewaltstrukturen zunehmend professionalisieren, was schon lange bekannt ist. Die Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS) hat hierauf in ihrem Sachverständigengutachten für den Sportausschuss des Deutschen Bundestags im Februar ebenso hingewiesen wie auf die nicht ausreichende Finanzierung, um gezielte Präventionsmaßnahmen umsetzen zu können. Ihre Mittel bekommt die KOS wie auch die Fanprojekte zu gleichen Teilen von den Verbänden und aus der Politik.

Michael Ebert, Patrick Kleinmann

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