Barthels Olympia-Kolumne: Für diese geile Truppe ist keine Herausforderung zu groß – NBA – Basketball



Danilo Barthel (32) analysiert für den kicker die deutschen Basketball-Spiele bei Olympia. Der frühere Nationalspieler erläutert aus eigener Erfahrung, warum der frühe Tip-Off ein Problem für Basketballer sein kann und wie sich die deutsche Mannschaft doch wieder in das Spiel gegen Griechenland zurückkämpfen und einen am Ende doch deutlichen Sieg im Viertelfinale einfahren konnte.


Moritz Wagner machte ein starkes Spiel gegen Griechenland.

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Vor zwei Jahren galt Deutschland gegen die Griechen bei der Heim-EM noch als Underdog und gewann ein Offensiv-Spektakel mit 107:96. Bei Olympia waren nun die Rollen vertauscht und die DBB-Auswahl gewann ein hart umkämpftes Spiel – auch wenn es zu Beginn einige Probleme gab und die Griechen schnell zweistellig führten.


Solche Sachen passieren. Ein Basketball-Spiel lebt von seinen Höhen und Tiefen und doch war es nicht völlig unerwartet, dass Deutschland zu Beginn ein paar Schwierigkeiten hatte. Für einen Basketballer ist die Tip-Off-Zeit 11 Uhr ungewohnt und undankbar. Ich spreche da aus eigener Erfahrung: Bei den Olympischen Spielen in Tokio mussten wir sogar einmal um 10 Uhr morgens antreten. Um dort genug Zeit zwischen Frühstück und Spiel zu haben, gab es bereits um 5.30 Uhr Frühstück und der Schlaf kam etwas zu kurz.


Die innere Uhr und der Körper der Basketballer ist meistens auf Abendspiele eingestellt und muss morgens erst mal auf Temperatur kommen. So gab es einen langsamen Start und Deutschland konnte die Energie und Aggressivität der Griechen zunächst nicht matchen. Es war ungewohnt, dass die Mannschaft von Bundestrainer Gordon Herbert so viele leichte Zähler unter dem Korb abgab. Man konnte spüren, dass das Team mental noch nicht voll auf der Höhe war.

Diese Mannschaft ist eine Familie


Aber auch diese ungewohnte Situation meisterten die Spieler als Mannschaft, als Kollektiv. Sie blieben ruhig und vertrauten ihren Stärken. Vor allem aber pushten sie sich emotional untereinander. Es ist zu spüren wie die Kontinuität dieser Kern der Mannschaft über die Jahre zusammengewachsen ist und ein wahres Team geworden ist.



Die DBB-Auswahl steht im Halbfinale.
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Sie selbst bezeichnen sich als Familie und Brüder in der Kabine – das merkt man auf dem Feld. Mit Emotionen, Teamgeist, Willen, Spaß und breiter Brust spielten sie sich zusammen frei. Wie intensiv die großen Jungs gegen Giannis Antetokounmpo dagegengehalten haben und sich untereinander halfen, war großartig. Oder wie Dennis das Spiel beeinflusste, nachdem er so viel Druck von der griechischen Defense bekam.

Dennis Schröder ist an seinen Aufgaben gewachsen


Trotzdem fand er Wege, das Spiel positiv zu beeinflussen. Dennis hat das sehr gut gemacht gegen das Doppeln im Pick’n’Roll. Er hat nach dem ersten Viertel meist die richtigen Entscheidungen getroffen und nicht seine Würfe forciert. Daran sieht man auch, wie er in diesen drei Jahren gewachsen ist. Ich denke da an die Spiele gegen Spanien bei der Heim-EM oder das WM-Viertelfinale gegen Lettland. Da war das noch ein bisschen anders. Nun hat er das Vertrauen in seine Mitspieler und weiß, dass auch sie in wichtigen Momenten wichtige Würfe treffen können.


Dazu muss ich auch noch einmal Coach Herbert hervorheben. Strategisch war das heute wieder top, er ergriff nach dem schwachen Start die richtigen Maßnahmen, indem er Isaac Bonga Andi Obst vorzog. Die deutsche Defense profitierte davon enorm. Was dieser Junge für ein Turnier spielt, ist schon Wahnsinn, gerade mit welchem Selbstverständnis er inzwischen seine Dreier trifft. Defensiv habe ich bei Bonga sowieso keine Zweifel.


Und das vermittelt Herbert seinen Spielern: Herbert gibt den Spielern das Selbstvertrauen, dass sie jedes Spiel gewinnen können, und das strahlte jeder einzelne Spieler zu jeder Sekunde aus. Dieses Team ist etwas ganz Besonderes.


Es ist eine Mannschaft, mit der man sich identifizieren kann und sie reißt jeden Sport-Fan mit – auch weil jeder für den anderen kämpft. Inzwischen ist dieses Team eine gut geölte Maschine, die für verschiedene Aufgaben immer wieder Lösungen findet. Wer bisher kein Basketball-Fan war, ist es nun mit Sicherheit.

Das DBB-Team gehört zu den Top 3 der Welt


Und es muss auch noch nicht das Ende der Fahnenstange gewesen sein. Der Einzug ins Halbfinale ist schon jetzt historisch (an dieser Stelle auch noch ein Shoutout an unsere 3×3-Frauen: Das war auch überragend und historisch), nun kann sich das Team in den letzten beiden Spielen mit einer Medaille belohnen. Ganz ehrlich: Ich traue dieser Mannschaft den ganz großen Wurf zu.


Dieses Halbfinale ist wie EM-Bronze und der WM-Titel kein Zufall. Die DBB-Auswahl ist für mich eines der drei besten Teams der Welt. Das heißt aber nicht, dass Deutschland nun ins Finale spaziert. So funktioniert Sport nicht.



kicker-Kolumnist Danilo Barthel
imago images / Sven Simon


Doch wenn wir in den vergangenen drei Jahren eines gelernt haben, dann, dass für diese geile Truppe keine Herausforderung zu groß ist. Sie werden wieder alles raushauen und am Ende wird man sehen, ob das gereicht hat.


Danilo Barthel (32) absolvierte 62 Länderspiele für die deutsche Basketball-Nationalmannschaft, nahm mit einigen Spielern des aktuellen Teams an der EM 2017, der WM 2019 und den Olympischen Spielen 2021 in Tokio teil. Der 2,08 Meter große frühere Power Forward gewann mit Frankfurt den FIBA Europe Cup, als Kapitän von Bayern München einmal den Pokal und zweimal die Deutsche Meisterschaft, 2018 als Finals-MVP. Nach der türkischen Meisterschaft 2022 mit Fenerbahce beendete der langjährige Euroleague-Spieler im Sommer 2023 aufgrund einer Knieverletzung seine Karriere.

© – by kicker.de

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