Barthels Olympia-Kolumne: Herbert, das Mastermind hinter dem Erfolg – NBA – Basketball



Danilo Barthel (32) analysiert für den kicker die deutschen Basketball-Spiele bei Olympia. Der frühere Nationalspieler erläutert aus eigener Erfahrung, warum der beeindruckende Statement-Sieg gegen Frankreich auf dem System von Trainer Gordon Herbert basiert.


Ruhige Ansprache an seine Spieler: Gordon Herbert.

IMAGO/camera4+


Einige verwundert es vielleicht, wie dominant und stimmig die deutsche Nationalmannschaft bei den Olympischen Spielen auftritt. Die Basis dieses aktuellen Gesamtkunstwerks versuche ich mal ein wenig aufzuschlüsseln. Drei Jahre lange hatte ich das Privileg, unter Gordon Herbert und seinem jetzt auch beim DBB-Team aktiven Co-Trainer Klaus Perwas zu spielen und Basketball zu lernen. Das hat mir für meine Karriere extrem viel geholfen.


Während der Spiele der aktuellen Nationalmannschaft erkenne ich viele Aktionen und Prinzipien aus unserer gemeinsamen Zeit in Frankfurt. Am Seitenrand während des Spiels wirkt Gordie eher zurückhaltend und analysierend. Er ist keiner, der dauernd von der Seiten reinruft und gestikulierend versucht, auf das Spiel einzuwirken.


Wer aber sein Konzept und sein Trainingsprinzipien kennt, weiß wie akribisch und detailorientiert er die Mannschaft im Vorfeld auf jede Situation vorbereitet. Spezialsituationen beim Einwurf mit wenig Zeit auf der Wurfuhr oder bestimmte offensive Aktionen werden täglich so lange bis ins Detail trainiert, bis alle fünf Spieler auf dem Feld an einem Strang ziehen.


Er möchte, dass die Spieler Basketball verstehen und verinnerlichen, wie wichtig eine bestimmte Winkeländerung beim Blockstellen oder Zentimeter in der Raumaufteilung sind. Wenn er, wie jetzt beim Nationalteam, daran über längere Zeit mit demselben Stamm an Spielern arbeiten kann, schafft die Mannschaft es dadurch, während des Spiels viele Probleme selbst zu lösen.

Die Verteidigung ist das Fundament des Erfolges


Gordies Steckenpferd, die Verteidigung, ist das Fundament des Erfolges und war auch gegen Frankreich beeindruckend und ausschlaggebend. Selbst Jahrhunderttalent Victor Wembanyama hatte gerade am Anfang große Probleme, gegen die gut eingestellte Verteidigung zu scoren. Hervorzuheben sind in der ersten Hälfte Daniel Theis und auch Moritz Wagner als direkte Gegenspieler.


Auch offensiv schafft es Gordie wie kaum ein anderer Trainer, die Stärken jedes einzelnen Spielers hervorzubringen und ins Gesamtkonzept einzubinden. Sei es der Wurf von Andy Obst oder die Passqualitäten von Johannes Voigtmann oder der unaufhaltsame Drive von Franz Wagner zum Korb. Gegen Frankreich hat man ihn durch seinen außergewöhnlichen Posterdunk gegen Cordinier und Lessort besonders auffällig wahrgenommen. Aber man sieht ihn in jedem Spiel.



Jeder Spieler kennt klar seine Rolle


Dazu kommt, dass jeder Spieler klar seine Rolle kennt. Die wurde uns auch damals in Frankfurt in einem Vier-Augen-Gespräch erklärt und anschließend auch im gesamten Team besprochen, so dass jeder wusste, was er zum Erfolg der Mannschaft beizutragen hat. Das war ja schon der große Schlüssel zum WM-Triumph und wurde danach ja sogar von Fußball-Bundestrainer Julian Nagelsmann mit explizitem Bezug auf Gordon Herbert übernommen. Das war eine schöne durch die große Fußballreichweite öffentlichkeitswirksame Anerkennung, die Gordie total verdient hat.

Es kann passieren, dass er eine Trainingseinheit nach einer Stunde komplett neu startet


Als studierter Sportpsychologe weiß er neben seinen großen fachlichen Qualitäten genau, wie er in welchen Momenten mit Spielern umzugehen hat. Wann Besonnenheit und Zugewandtheit nötig sind und wann auch mal emotionale und rauere Töne. So zurückhaltend er in Interviews öffentlich rüberkommt – er kann auch anders. Wenn er den Eindruck hat, dass die Spieler nicht genug investieren, kann es auch mal passieren, dass er eine Trainingseinheit nach einer Stunde komplett neu startet – wie bei uns früher in Frankfurt.



kicker-Kolumnist Danilo Barthel
imago images / Sven Simon


Die Gruppenphase bei Olympia mit der zweitbesten Bilanz hinter dem Starensemble der USA war einmal mehr beeindruckend und bestätigt, dass die deutsche Mannschaft völlig zu Recht zur Weltspitze des Basketballs gehört. Gerade dieser außergewöhnliche Auftritt gegen Frankreich weckt hoffentlich auch beim sonst nicht so basketballinteressierten Publikum die Lust auf mehr. Die nächste Chance, dieses tolle Team zu sehen: Am Dienstag im Viertelfinale, für das der Gegner noch ausgelost werden muss.


Danilo Barthel (32) absolvierte 62 Länderspiele für die deutsche Basketball-Nationalmannschaft, nahm mit einigen Spielern des aktuellen Teams an der EM 2017, der WM 2019 und den Olympischen Spielen 2021 in Tokio teil. Der 2,08 Meter große frühere Power Forward gewann mit Frankfurt den FIBA Europe Cup, als Kapitän von Bayern München einmal den Pokal und zweimal die Deutsche Meisterschaft, 2018 als Finals-MVP. Nach der türkischen Meisterschaft 2022 mit Fenerbahce beendete der langjährige Euroleague-Spieler im Sommer 2023 aufgrund einer Knieverletzung seine Karriere.

© – by kicker.de

Dieser Beitrag wurde unter Basketball veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert