Basketball – Josh Giddey: Australiens Metronom entdeckt seine Mitte wieder – NBA – Basketball


Wenige Minuten lang wirkte es, als erlebe Josh Giddey rund 7.700 Kilometer nordöstlich von Oklahoma City ein unliebsames Déjà-vu. Irgendwo zwischen Ecke und Flügel beobachtete er den ersten Olympiaangriff Australiens gegen Spanien aus der allerersten Reihe. Nur Eingreifen konnte Giddey nicht wirklich.

Grundsätzlich machte Head Coach Brian Goorjian jedoch etwas, das Mark Daigneault in OKC schlicht nicht machen konnte. Giddey erhielt die Schlüssel, während Patty Mills, FIBA-Patty, die Institution der Boomers, zusehends abseits des Balls spielte. Mills scorte am zweitbesten (19 Punkte), während Giddey kurz dahinter auf Rang drei landete (17 Punkte), 7 von 12 Würfen traf und auch noch 8 Assists verteilte. Australien gewann und Giddey reihte sich direkt neben Drazen Petrovic ein. Der hatte als bis dahin einziger Spieler seinen ersten Olympiaauftritt für mindestens 15 Punkte, 7 Rebounds und 7 Assists genutzt.

Josh Giddey und der Fit bei den Oklahoma City Thunder

Shai Gilgeous-Alexander den Ball aus der Hand zu nehmen, um ihn feierlich Giddey zu überreichen, wäre trotz solcher Zahlen mindestens fragwürdig gewesen. Ähnliches gilt für Jalen Williams, im Grunde ebenso für Chet Holmgren – wobei sich zwischen Center und Playmaker durchaus eine gewinnbringende Beziehung herbeiwünschen ließe. Am Ende begannen – und endeten – Angriffe der Thunder im Lauf der Saison immer häufiger mit nur passiver Beteiligung Giddeys.

Das wiederum trieb ihn immer weiter weg von seinen Stärken, immer näher hin zu seinen Schwächen. Als Teil von OKCs Five-Out-Philosophie sollte er theoretisch für Spacing sorgen, als sekundärer Playmaker Defenses in Bewegung noch weiter aus dem Konzept bringen. Problem: Zu Beginn seiner Karriere lag der Dreier im toten Winkel. Gleichzeitig hatten die Thunder im Sommer 2022 Chip Engelland, allgemein anerkannter NBA-Wurf-Guru, angeheuert. Und tatsächlich stiegen Giddeys Quoten von draußen von 26,3 auf 32,5 auf 33,7 Prozent im dritten Jahr.

Oklahoma City Thunder's Josh Giddey plays during an NBA basketball game, Tuesday, April 2, 2024, in Philadelphia. (AP Photo/Matt Slocum)
Josh Giddey wurde in Oklahoma City nicht glücklich picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Nicht genug. Defenses ließen Giddey mit Vorliebe einfach stehen und orientierten sich in Richtung Zone, um dort bei Shai, J-Dub und auch Holmgren Anflüge von Klaustrophobie zu provozieren. So waren Lineups ohne Giddey und beispielsweise mit Isaiah Joe, ausgewiesener Dreierspezialist, statistisch besser als solche mit dem Australier. Giddeys Gefühl der Vereinsamung auf die Spitze trieben die Dallas Mavericks in der zweiten Playoff-Runde. Meistens stand er so allein, dass er bald aus der Starting Five rutschte.

Coach Mark Daigneault erklärte die Entscheidung mit neuen Möglichkeiten, „wieder zu normalen Angriffen in der Offense zurückzufinden.“ Die Thunder hätten das Spiel und den Gegner „etwas durchschütteln und zum Start in einen Flow finden wollen.“ Zudem gäbe das neue Setup Giddey „Second-Unit-Minuten, um das Spiel etwas zu lenken.“

Giddey: Trade zu den Chicago Bulls

Tatsächlich, seine Stärken, das Playmaking, die schnelle Entscheidung mit Ball in der Hand konnte der Australier im Laufe der Saison und Playoffs immer seltener ausspielen. Sein Ansehen, das nach einer guten zweiten NBA-Saison trotz bekannter Schwächen – auch das Finishing am Ring zählt nicht zu Giddeys Stärken – sank. Zumal die Statistiken in die falsche Richtung trendeten. Aus 16,6 Punkten in Jahr zwei wurden 12,3, aus 7,9 Rebounds 6,4, aus 7,9 Assists 6,4. Dass die Spielzeit allgemein sank, half den Counting Stats natürlich nicht.

Im Laufe der Saison war Giddey ein wenig zum Odd One Out the Thunder mutiert. Die Entwicklung des Teams hatte ihn überholt und zurückgelassen. Dabei hatte mancher deutsche NBA-Podcast im ersten Saisondrittel noch spekuliert, ob OKC ein Paket um Giddey schnüren könnte, das die Utah Jazz überzeugen würde, Lauri Markkanen nach Oklahoma City zu schicken. Damals galt Giddey noch als interessanteres junges Talent. Jung blieb er, nur die Fragezeichen wuchsen.

Am Ende brachte Giddey OKC immer noch Alex Caruso – und es brauchte nicht mal ein Paket. Die Chicago Bulls scheinen zu hoffen, mit mehr Ball in der Hand und weniger Stärken-fremder Aufgabenstellung könne der Australier deutlich mehr sein, als seine Rolle in OKC zuließ. Der Olympia-Auftakt dürfte sie positiv stimmen.

Josh Giddeys Vielversprechender Olympia-Auftakt

Zwei Dinge vorab: Ein einziges Spiel bleibt auch bei Olympia ein einziges Spiel. Zudem kann Giddey FIBA-Basketball. Bei der Weltmeisterschaft 2023 erhielt er nicht nur den Rising Star Award, 19,4 Punkte legte er zudem auf. In der Geschichte gelangen bei Weltmeisterschaften nur sechs Spielern mehr, bevor sie ihr 22. Lebensjahr vollendet hatten, darunter erneut Petrovic, Kevin Durant und Yao Ming.

Eine illustre Runde – und auch zum Start gegen Spanien sah Giddey nach unauffälligen ersten Minuten wieder aus, als zählte er zu den Besten. Mit seiner ersten Aktion nach knapp zwei Minuten attackierte er direkt aggressiv die Zone und zog das Foul. Es folgten rund 38 Minuten, die vieles von dem brachten, was Giddey als Talent so interessant macht.

Die Aggressivität behielt er sich mit jedem Schritt bei. Auch ohne Ball. Immer wieder setzte er zu Cuts oder Backdoor-Cuts Richtung Ring an, ein essenzieller Punkt für große Menschen mit noch nicht ganz ausgeprägtem Hang zum erfolgreichen Distanzwurf -wobei Giddey gegen Spanien gleich zwei Dreier von oben traf.

Seine Größte nutzte er, um hinten den Rebound einzusammeln, sein Ballhandling, sein Gespür, um danach selbst den Fastbreak einzuleiten und vorne gute Entscheidungen zu treffen. Statt direkt zum Ring zog Giddey häufig in die Zone, schloss dort zwischen Freiwurflinie und Korb ab. Zugegeben, diesmal schlüpften auch die ganz komplizierten Würfe durch den Ring, dass der Playmaker sie mit Überzeugung nahm, ist jedoch ohnehin entscheidender.

Australiens Metronom dirigiert und manipuliert

Vor allem behielt Giddey, abgesehen von 5 Ballverlusten, die Kontrolle. Als Australiens Metronom dirigierte er Spiel und Tempo. Hin und wieder sagt er sich sogar von der reell erlebten Zeit los, um parallel in seiner ganz eigenen Geschwindigkeit aufzugehen. Mit der Geduld von Wladimir und Estragon wartete er beim Pick and Roll auf den richtigen Moment – nur dass der, anders als Godot, in schöner Regelmäßigkeit tatsächlich auftauchte.

Giddey zog Defender auf sich, um zu manipulieren, im richtigen Moment auf Australiens Topscorer Jock Landale (20 Punkte) oder im Fastbreak auf Nick Kay abzulegen. Dabei strahlte er eine Leichtigkeit, eine Kontrolle aus, dank der er wirkte, als wisse er, was er vorhabe, lange bevor er den Plan der Öffentlichkeit enthüllte. Giddey scannte, schaute, was die Defense gestattete, und wartete, bis sie es erlaubte.

Giddey: „Inbegriff australischen Basketballs“

Selbst, als Spanien kurz vor Schluss mit aller Comeback-Hoffnung im Gepäck noch einmal über den gesamten Court presste. Giddey schüttelte seinen Defender ab und fand vorne Landale für einfache Punkte. Sich das 92:80 exklusiv in den Lebenslauf schreiben, wollte er dennoch nicht. „Heute war der Inbegriff australischen Basketballs“, sagte er nach dem Spiel. „Jeder leistete seinen Beitrag. Genau das brauchen wir, um ein Spiel in solch einem Turnier zu gewinnen; niemals wird es nur auf einen einzigen ankommen. Du brauchst jeden, ich glaube, heute hatten wir genau das.“

Da passt es umso mehr ins Bild, dass Patty Mills per schwerem Pullup-Dreier einen kleinen Fehler Giddeys ausbügelte (er hatte sich auf den Fuß gedribbelt) und den Punkt hinter den Sieg setzte, ehe Dyson Daniels aus der Ecke das Ausrufezeichen nachschob. Final eingreifen musste Josh Giddey nicht mehr.

© – by kicker.de

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