Dennis Schröder im Interview: „Möchte wie Nowitzki lange dabei sein“ – NBA – Basketball



NBA-Star Dennis Schröder (30) erzählt im kicker-Interview, was der WM-Titel veränderte und welche Ziele er bei Olympia hat. Für den Fahnenträger des deutschen Teams hätte er zudem eine Idee.


Der Abend zuvor verlief erfolgreich: Zum 124:97 seiner Brooklyn Nets gegen die Atlanta Hawks Anfang März steuert Dennis Schröder als Point Guard insgesamt 23 Punkte, acht Rebounds und sieben Assists bei. „Ein gutes Spiel von uns allen zusammen“, ist der Weltmeister zufrieden. Tags darauf beginnt er das Video-Interview mit dem kicker in seinem Hotelzimmer, führt es in der Limousine, die ihn zum Training bringt, weiter und beendet es schließlich in der Umkleide der Nets. Nach den Atlanta Hawks, den Oklahoma City Thunder, den Los Angeles Lakers, den Boston Celtics, den Houston Rockets und wieder den Lakers ging es im Sommer 2023 zu den Toronto Raptors – von dort wurde der deutsche NBA-Star in diesem Februar nach New York getradet.


Haben Sie sich in Brooklyn bereits einleben können, Herr Schröder?


Ich lebe noch im Hotel, meine Familie ist vorerst in Toronto geblieben. An freien Tagen fliege ich die gute Stunde rüber, um Frau und Kinder zu sehen. Im März sind wir mit den Nets 18 Tage auswärts unterwegs, darunter vier Tage in Orlando. Dorthin wird die Familie kommen, wir können in die Disney World gehen. Aktuell lohnt es sich nicht, meine Frau und die drei Kinder nach Brooklyn zu holen, dazu die beiden Nannys, den Koch und meine beiden Freunde, die mit uns leben. Wir bräuchten ein Haus in New York, die Regular Season dauert aber ja nur noch einen guten Monat.


Wie sieht es sportlich aus: Haben Sie noch Hoffnung auf die Postseason?


Wenn wir öfter drei aus vier Spielen gewinnen, können wir in die Play-ins kommen. Noch mache ich mir keine Sorgen, wir können angreifen. Das Team und die Coaches haben mich sehr gut aufgenommen, sie geben mir viel Verantwortung und haben viele Spielsysteme so gelegt, dass ich meine Teammates und mich in Szene setzen kann. Die Leute hier wertschätzen mich. In Toronto hatte ich ein gutes Gefühl bei der Vertragsunterschrift, deren Plan, wie sie mich als Spieler einsetzen wollten, änderte sich dann aber recht schnell wieder. Ich hätte mir mehr Kommunikation gewünscht, aber so ist das Business.


War der Wechsel zu den Raptors also rückblickend ein Fehler?


Nein, es war die beste Entscheidung, weil die Raptors am meisten gezahlt haben. Stadt, Klub, Situation, alles war top, wir lebten 30 Minuten außerhalb Torontos. Ich, meine Frau und meine Kinder haben viele tolle Leute kennengelernt. Ich schätze es generell, neue Klubs kennenzulernen. Ich bin ein kleiner Junge aus Braunschweig gewesen, der den Traum hatte, in der NBA zu spielen. Und jetzt darf ich im elften Jahr in der besten Liga der Welt spielen, daran versuche ich mich jeden Tag zu erinnern. Es gibt Spieler, die haben sogar für 14, 15 verschiedene Teams gespielt. Es ist nicht mehr wie früher, dass man wie Kobe Bryant oder Dirk Nowitzki die gesamte Karriere in einer Franchise bleibt. Dies ist heutzutage eher eine Seltenheit, allerdings könnte Franz Wagner es in Orlando schaffen, weil er noch sehr jung ist und zu den zwei besten Spielern dort gehört. Seine Situation ist optimal.

Dennis Schröder, Brooklyn Nets


Guter Start in die Nets-Karriere: Dennis Schröder legt im Brooklyn-Trikot im Schnitt 14,5 Punkte und knapp sechs Assists im Schnitt auf.
Getty Images


Verspüren Sie keine Sehnsucht, an einem Standort sesshaft zu werden?


Das ist für die meisten der Traum. Aber das liegt erstens in Gottes Hand. Zweitens habe ich durch meine sieben Klubs viele Kontakte aufgebaut. Dazu wäre es nie gekommen, wenn ich in Atlanta geblieben wäre. Ich habe Sam Presti in Oklahoma kennengelernt, meiner Meinung nach der beste General Manager der NBA. Er schätzt mich sehr, hat mir ein Standing in der Liga gegeben. Dazu Trainer und Teammates. Dazu konnte ich in den verschiedenen Städten Immobilien kaufen, was gute Investitionen sind, wie z.B. in Los Angeles oder Atlanta. Ich versuche aus jeder Situation das Beste rauszuholen. Für die Familie ist es nicht immer leicht umzuziehen, das tut mir dann leid. Letztlich sind das aber Luxusprobleme. Wir sind gesegnet, dass wir hier sein dürfen.


Wer ist sportlich gesegnet und darf sich am Saisonende als NBA-Champion feiern lassen?


Da gibt es viele Favoriten, es lässt sich schwer prognostizieren. Wir sind vergangene Saison mit den Lakers über die Play-ins bis ins Conference Finale gekommen und dachten, wir können es ganz schaffen … In den Playoffs werden die Karten komplett neu gemischt. Schaffen wir es dorthin, setze ich erst mal auf uns. Die Golden State Warriors fangen sich gerade, die Milwaukee Bucks sind stark, Boston auch. Die Celtics sind eiskalt, jeder auf dem Spielfeld kann werfen, sie sind extrem schwer zu verteidigen, haben mit Jaylen Brown und Jayson Tatum ihre Superstars.


Bei den Lakers spielten Sie mit Superstar LeBron James zusammen, der gerade als Erster die 40.000-Punkte-Marke geknackt hat. Wie war es mit ihm in einem Team?


Was soll ich sagen? LeBron ist 39 Jahre alt, spielt seit 21 Jahren auf dem weltweit höchsten Level. Er kann entscheiden, wann er aufhören möchte, ob mit 40 oder 50. Er ist einer der besten, wenn nicht der beste Spieler aller Zeiten. Als Mensch schätze ich ihn sogar noch mehr. Er hat seit 25 Jahren enormen Druck, liefert immer ab und ist dennoch auf dem Boden geblieben. Er hält das Team zusammen. Wie er trainiert und auf seinen Körper achtet, ist bemerkenswert. Ich habe sehr viel gelernt von ihm, auch in Business-Sachen. Er sagt seine Meinung, auch das habe ich mir abgeschaut. Viele haben mich auch deshalb falsch verstanden, weil ich sage, was ich denke und fühle. LeBron ist eine sehr inspirierende Person.


Bei der WM waren Sie der Anführer des Teams. Ist dies Ihre Sehnsucht für ein NBA-Team, vielleicht gar in Brooklyn?


Ich nehme das, was auf mich zukommt. Natürlich setze ich mir Ziele, natürlich wäre es cool, in der NBA einen Trainer wie Gordie Herbert im Nationalteam zu haben, der auf Franz Wagner und mich als Leader setzt. Aber ich fühle mich sehr wohl in der Rolle, die Brooklyn mir gegeben hat, fühle wie gesagt die Wertschätzung.


Eine Meisterschaft mit Braunschweig wäre der Hammer.



Wie lange wollen Sie in der NBA spielen? Sie haben schließlich angekündigt, mit Ihren Braunschweiger Löwen, Sie sind Hauptgesellschafter, Deutscher Meister werden zu wollen.


Tricky. Wenn ich nach Deutschland zurückkehre, will ich das auf einem sehr hohen Niveau tun, eine Meisterschaft holen und ein Team zusammenstellen, das es schaffen kann, das ist das Ziel! Eine Meisterschaft mit Braunschweig wäre der Hammer. Ein paar Jahre aber muss das noch warten. Ich will keine konkrete Zahl nennen, aber easy bis 40 spielen. In der NBA bis 35, 36, dann könnte ich auf gutem Niveau nach Deutschland zurückkehren und die Liga ein bisschen aufmischen.


Aufgemischt haben Sie mit der Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft mit dem Titelgewinn. Wie bewerten Sie den Erfolg mit ein paar Monaten Abstand?


Ich kann es immer noch nicht fassen, was wir für den Basketball in Deutschland getan haben. Ich habe gelesen, Julian Nagelsmann will sich mit seinen Fußballern ein Beispiel an uns nehmen: Wir waren ein Team, jeder hat für jeden gekämpft, es ging nur ums Gewinnen. Acht Siege aus acht Spielen gegen diese Gegner, das war einfach nur eine magische Zeit. Bei den Olympischen Spielen nehmen wir es jetzt Spiel für Spiel. Wir wollen auch dort jedes gewinnen in dem Wissen, dass dies nicht immer klappen kann. Aber wir werden immer 40 Minuten alles dafür geben.


Zur Einordnung: Gold oder eine Medaille in Paris wird nochmals schwieriger, die USA zum Beispiel kommen mit ihren Superstars.


In Paris kommen sie nun mit LeBron James, Stephen Curry, Jayson Tatum, Kevin Durant, Anthony Davies, Jimmy Butler und anderen Superstars. Das wird schwierig, aber nichts ist unmöglich, und wir haben eine Chance. Wenn wir unsere Leistung bringen, können wir trotzdem jeden schlagen, so selbstbewusst bin ich mit unserem deutschen Nationalteam.




Haben Sie in Kanada und den USA etwas mitbekommen, was dieser WM-Titel in Ihrer Heimat bewirkt hat?


Mein Co-Trainer in Toronto hat in der WNBA, dem Frauen-Basketball, zehn Meisterschaftsringe gewonnen. Er sagte mir: Für den Sieger öffnen sich immer Türen, die sonst geschlossen bleiben. Das kann ich nur bestätigen. Meiner Familie habe ich immer gesagt, dass wir uns als Team den Respekt im Basketball erarbeiten müssen, indem wir einen Titel nach Hause holen. Ich werde oft in den direkten Vergleich mit Dirk Nowitzki gebracht, und er ist eine absolute Legende mit all seinen Erfolgen, das steht völlig außer Frage! Aber wir zwölf haben ebenfalls Geschichte geschrieben, worauf wir sehr stolz sein können; das hat für uns alles verändert: Stellenwert, Respekt, Liebe der Fans.


Glauben Sie an einen Basketball-Boom in Deutschland? Etwa in der Form, dass mehr Kinder zum Basketball anstatt zum Fußball gehen?


Daran glaube ich fest. Wir haben dafür gesorgt, dass ein Isaac Bonga, Johannes Thiemann oder Daniel Theis plötzlich Vorbilder sind und nicht nur ein Anthony Edwards aus der NBA. Das fasziniert mich, und ich finde es sehr gut, dass Basketball in Deutschland jetzt gepusht wird und die Spieler Werbeverträge bekommen. Ohne den Titel, „nur“ mit einer Medaille oder einer guten Platzierung wäre das nie so gekommen.


Hat sich für das Weltmeister-Dutzend auch automatisch die Tür nach Paris geöffnet? Sie selbst haben Maxi Kleber kürzlich wieder ins Gespräch gebracht, der auf die WM verzichtet hatte.


Ein sehr schwieriges Thema. Der öffentliche Austausch damals darüber hat mir leidgetan, weil Maxi nicht gerne im Fokus steht. Nichtsdestotrotz wollte ich als Kapitän nur meine Spieler schützen und sie unterstützen. Maxi ist ein guter Spieler, er würde uns helfen, keine Frage. Aber ich glaube fest daran, dass Team-Chemie an erster Stelle steht. Ich will gar nicht wissen, was passiert wäre, wenn wir die WM verpatzt hätten. Vermutlich hätte ich die Schuld dafür bekommen, weil Maxi Kleber nicht dabei war …


Der Big Man der Dallas Mavericks wird auch bei den Olympischen Spielen nicht dabei sein, Anfang März sagte er für das DBB-Team ab. Also geht es doch mit dem WM-Team nach Paris?


Ich glaube, wenn man zum ersten Mal den Weltmeister-Titel holt, kann und darf man eigentlich nichts ändern. Damit täte ich mich schwer. Das gilt nicht nur für die Spieler, sondern für den gesamten Staff. Ich bin ein sehr loyaler Mensch und schaue immer auf die, die uns dorthin gebracht haben.


In Paris würde ich am liebsten alle zwölf die Fahne tragen lassen.



Was ist das realistische Ziel für Paris?


Wir werden sehr selbstbewusst an die Sache rangehen, ich bin aber umgekehrt sehr vorsichtig mit der Formulierung von Zielen. Ich will jedes Spiel gewinnen, so bin ich aufgewachsen. Wir wollen bestmöglich abschneiden und werden voll angreifen. Man muss dann aber auch viel Glück haben. Bei der WM verletzte sich zwischendurch Franz Wagner, Isaac Bonga sprang toll ein. Das beweist, dass alles passen muss.


Könnten die Olympischen Spiele Ihre Abschiedsvorstellung im Nationalteam werden?


Ein befreundeter Juwelier in München meinte, ich müsse eigentlich jetzt aufhören, auf dem Höhepunkt. Ich habe aber eher das Gefühl, dass ich wie damals Dirk Nowitzki noch lange dabei sein möchte, auch wenn ab einem gewissen Zeitpunkt Franz Wagner der Leader sein wird. Ich kann realistisch einschätzen, ob und wie ich dem Team noch helfen kann. Es bleibt für mich eine Ehre, für die Nationalmannschaft zu spielen. Das hat sich in den vergangenen zehn Jahren nicht geändert.


Stichwort Ehre: Dirk Nowitzki führte die deutsche Olympiamannschaft 2008 in Peking als Fahnenträger ins Stadion. Würden Sie das im Sommer gerne in Paris tun?


Das wäre Wahnsinn, das Größte und die größte Wertschätzung, die mir Deutschland geben könnte. Dieses Mal sollen es eine Frau und ein Mann sein, habe ich gehört. Wenn nicht jetzt ein Basketballer, wann dann wieder? Wir haben den WM-Titel geholt! Am liebsten würde ich alle zwölf die Fahne tragen lassen, das ist mein voller Ernst.


Dieses Interview erschien erstmals in der Montagsausgabe des kicker am 11. März.

Interview: Frank Linkesch

© – by kicker.de

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