Deutscher Basketball: Worauf es bei Schröder und Co. ankommt – NBA – Basketball



Das Ende ist sportlich bitter, dennoch hat Gordon Herbert die bisher größte Erfolgsära der deutschen Basketballer geprägt. Worauf es nach dem Abschied des Erfolgstrainers jetzt ankommt – und was Kapitän Dennis Schröder wieder ändern sollte. Eine kommentierende Analyse.


Hinterlässt eine große Lücke: Gordon Herbert.

IMAGO/camera4+


Aus Paris berichtet Carsten Schröter-Lorenz


Gordon Herbert hat am Samstagmittag Tränen in den Augen. Ein letztes Mal sitzt er als Nationaltrainer der deutschen Basketballer auf dem Podium und muss eine bittere Enttäuschung verdauen. Trotz zweier Chancen hat das DBB-Team eine olympische Medaille verpasst. Es ist aber nicht die 83:93-Niederlage gegen starken Serben im Spiel um Bronze, die so schmerzt.


Das 69:73 am Donnerstag gegen Frankreich „hat uns in den Arsch gebissen“, wie Herbert einräumt. Die deutsche Auswahl hat gegen einen verbesserten, aber absolut schlagbaren Gegner die große Gelegenheit nicht genutzt, olympisches Silber zu sichern und in ein Traum-Finale gegen das US-Starensemble einzuziehen. Ausgerechnet in diesem bedeutenden Spiel hat sie die schwächste Leistung der vergangenen drei Jahre abgeliefert – weil auch Herbert und Kapitän Dennis Schröder überraschende Schwächen offenbarten.


Die Niederlage gegen Frankreich hat die zuvor oft begeisternd aufspielende, 13-mal in Serie bei großen Turnieren siegreiche Weltmeistermannschaft ein Stück weit gebrochen. Jedenfalls gelang es ihr in den nur gut eineinhalb Tagen Regenerationszeit nicht mehr, zu ihrem besten Level zurückzufinden.

Herbert hat den deutschen Basketball überrumpelt und wachgeküsst


Herbert wären aber vermutlich auch bei einem Medaillengewinn die Tränen gekommen. Vor Freude, aber auch Abschiedsschmerz. Seine dreijährige Amtszeit als Bundestrainer endet an diesem Wochenende. Trotz des sportlich bitteren Schlussaktes geht sie als die mit großem Abstand bisher erfolgreichste Ära im deutschen Männer-Basketball in die Geschichte ein.


Der erfahrene Kanadier hat den deutschen Basketball belebt, ihn wachgeküsst und ihm vermittelt, dass der Mut, groß zu denken, eine Voraussetzung für Erfolg ist. Nach Olympia 2021 in Tokio hat Herbert die Mannschaft um Schröder übernommen, die zuvor ihr großes Potenzial unter Trainer Henrik Rödl nicht auszuschöpfen vermochte.


Herbert hat als erste Amtshandlung den über lange Zeit polarisierenden, oft egoistisch auftretenden Schröder in einem langen Gespräch auf seine Seite gezogen, ihn zum unangefochtenen Anführer und Kapitän erklärt. Das gab Schröder einen entscheidenden Impuls, um zu reifen und im Nationalteam fast ausnahmslos Top-Leistungen zu bringen. Um Schröder herum hat der Coach zudem einen festen Spielerkreis mit einem obligatorischen Bekenntnis zum gemeinsamen Drei-Jahres-Plan eingeschworen.


Mit seinen Zielen überrumpelte Herbert selbst die DBB-Verantwortlichen. Bei der Heim-EM 2022, der WM 2023 und Olympia 2024 wolle er mit diesem zuvor weitgehend erfolglosen, nicht als Einheit auftretenden Ensemble jeweils auf dem Podium landen, erklärte der inzwischen 65-Jährige bei seinem Start.

Die verpasste dritte Medaille ist durch den WM-Triumph mehr als ausgeglichen


Dafür wurde er anfangs von vielen Seiten belächelt, doch Herbert hielt Wort. Die nun verpasste dritte Medaille wird durch den selbst von Basketball-Ikone Dirk Nowitzki nie für möglich gehaltenen WM-Triumph 2023 mehr als ausgeglichen.


Mit exzellenter Menschenführung, klarer Rollenverteilung und fachlicher Expertise führte Herbert diese deutsche Mannschaft in die Weltspitze und erhielt dafür von Schröder verdientermaßen ein besonderes Kompliment.

Der DBB lehnt Doppelfunktion weiter ab und muss einen Treffer landen


Nun ist der DBB am Zug mit einer zentralen Personalentscheidung. Herbert wechselt zum FC Bayern Basketball, um sich seinen Traum zu erfüllen, erstmals ein Euroleague-Team zu coachen. Eine in anderen Ländern übliche Doppelfunktion lehnt der Verband weiterhin ab und muss nun mit der Nachfolge-Lösung einen Treffer landen.


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Der neue Coach sollte vor allem versuchen, wieder einen großen Zusammenhalt zu erzeugen – in einem wohl auf einigen Positionen veränderten Team. Verdiente Kräfte wie Vize-Kapitän Johannes Voigtmann (31), Daniel Theis (32), Maodo Lo (31) oder Niels Giffey (33) könnten dem Nationalteam Goodbye sagen.

Wer Abschiede auffangen könnte


Das wären zweifellos Verluste – aber es gibt potenzielle Nachrücker mit Qualität, wie den zuletzt in der NBA überzeugenden Center Isaiah Hartenstein (26), NBA-Neuling Tristan da Silva (23) oder Weltmeister Justus Hollatz (23). Auch der jüngste EM-Triumph des U-18-Nationalteams dokumentiert, dass es an vielversprechenden Talenten nicht mangelt.


Damit das DBB-Team in der Weltspitze bleibt, braucht es zunächst weiterhin Schröder in seiner besten Version. Der 30-Jährige hat sich mit seinen beeindruckenden MVP-Leistungen beim WM-Triumph 2023 bereits seinen verdienten Platz im Geschichtsbuch gesichert. Seine beiden jüngsten Auftritte gegen Frankreich und Serbien waren in puncto Körpersprache, Entscheidungsfindung, Taktvorgabe in der Offensive sowie zu lange Ballbesitzphasen jedoch sportliche Rückfälle in überwunden geglaubte Zeiten.

Was das DBB-Team von Schröder braucht



Muss mehr Verantwortung übernehmen: Dennis Schröder.
IMAGO/Sven Simon


Schröders beste Version beinhaltet auch, dass er in der Offensive künftig mehr und mehr Verantwortung an seinen acht Jahre jüngeren Co-Star Franz Wagner abgibt, den er bereits selbst in den höchsten Tönen geadelt hat. Und seine Spielintelligenz verlässlich wieder so einsetzt, dass er all seinen Mitspielern Sicherheit vermittelt und sie bestmöglich in Szene setzt. Spannend wird zudem sein, wie lange Schröder durch seine Top-Speed noch einen solch großen Vorteil gegenüber den meisten Gegenspielern behält.


Zudem muss Schröder mit Blick auf seine Qualität, Erfahrung und Reife verinnerlichen, dass er in seiner Rolle auch dann abseits des Parketts Verantwortung übernehmen muss, wenn es ihm nicht in den Kram passt. Es gilt, nicht nur als deutscher Fahnenträger bei der Olympia-Eröffnungsfeier zu glänzen, sondern nach Spielen gegenüber Medienvertretern auch abseits von kurzen TV-Interviews Stellung zu beziehen.


Die Vorgabe, die Mixed Zone zu durchlaufen, hat Schröder bei Olympia als einziger deutscher Spieler mehrmals missachtet, nach Siegen und Niederlagen. Was für manchen nach einer Spitzfindigkeit aus Sicht eines Journalisten klingen mag, kommt in der Mannschaft nicht gut an, weil es für eine Extrabehandlung steht, die den so wichtigen Zusammenhalt zumindest auf eine Probe stellt.

© – by kicker.de

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