In-Season Turnier: Wie die NBA vom Fußball zu lernen versucht – NBA – Basketball



Ein neuer Pokalwettbewerb soll der NBA neue Spannung bringen und noch mehr Säcke voller Dollars. Was sich die Liga dabei vom Fußball abgeschaut hat – und wie die Spieler auf die Neuerung reagieren.


Nah’Shon Hyland, genannt „Bones“, wusste mit der Frage nicht so richtig etwas anzufangen. Also saß der Guard der Los Angeles Clippers mit einem fetten Grinsen im Gesicht vor den Journalisten, blickte dem Fragesteller in die Augen und sagte: „Ich will nicht lügen: Ich habe keine Ahnung, was da abgeht …“ Lautes Lachen im Raum.


In den Büros des NBA-Hauptquartiers in New York City dürfte die Szene eher mit Stirnrunzeln bewertet worden sein. Immerhin gab hier ein Spieler der besten Basketball-Liga der Welt sein Unwissen über das neue Prestigeprojekt von Liga-Boss Adam Silver preis. Er habe keine Ahnung, „wie es funktioniert“, dieses In-Season-Tournament, „ich weiß nichts, ehrlicherweise“. Zu Hylands Ehrenrettung sei gesagt: So wie ihm ging es Anfang November manch anderem NBA-Kollegen – und vielen Fans.


Schon seit Jahren geistert diese Idee durch den NBA-Äther: ein neuer Wettbewerb, parallel zu und doch irgendwie verwoben mit dem Kampf um die „normale“ Meisterschaft. Mit den großen, prestigeträchtigen Pokalwettbewerben aus Europa als Vorbild. „Wir haben die Idee vom internationalen Fußball geklaut“, gibt Silver zu. Ihm wird nachgesagt, die treibende Kraft hinter dieser Revolution zu sein, die in der Saison 2023/24 ihre Premiere feiert.

Das Halbfinale im NBA Cup

Geld ist der Treiber aller Innovationen


Zusätzlich zur Larry O’Brien Trophy im Juni spielen die 30 NBA-Teams um eine weitere Trophäe, den NBA Cup – und das bereits im Dezember, knapp zwei Monate nach Saisonstart. Analog beispielsweise zur Champions League startete der Wettbewerb mit einer Gruppenphase, gefolgt von einer K.-o.-Runde mit dem Höhepunkt nun in Las Vegas, wo die Halbfinals in der Nacht auf Freitag und das Finale an diesem Wochenende einen gebührenden Rahmen erhalten. Mit Ausnahme des Finales zählen all diese Partien auch für die reguläre Saison, eine klare Trennlinie zwischen den beiden Wettbewerben gibt es nicht. Das wirkt vielleicht kompliziert, das Ziel ist aber klar: Nicht noch mehr Spiele sollen die ohnehin schon lange Saison aufblähen.


Die Liga setzt mit diesem In-Season-Turnier ihre Reihe an Innovationen fort, zu der beispielsweise auch das Play-in-Turnier gehört, in dem nach dem Ende der regulären Saison die letzten Tickets für die Play-offs ausgespielt werden. Nicht ganz zufällig kommt die NBA ein Jahr vor Beginn der Verhandlungen um einen neuen milliardenschweren TV-Rechte-Deal ab der Saison 2025/26 mit dem neuen Wettbewerb um die Ecke. Die Einnahmen sollen selbstverständlich alle vorherigen Rekorde brechen. Kurzfristig soll dafür die Aufmerksamkeit für die Liga gesteigert und das Produkt auf dem Court verbessert werden.

Der übermächtige Konkurrent namens NFL


Aufmerksamkeit ist das große Stichwort. In den Herbstmonaten spielt die Association in der Wahrnehmung der Sport-Öffentlichkeit in den USA eine untergeordnete Rolle. Die Jahreszeit gehört dem American Football, die NFL frisst jeden Happen Aufmerksamkeit gnadenlos auf. In der Vergangenheit galt daher der mit fünf Top-Spielen zelebrierte Christmas Day am 25. Dezember als inoffizieller NBA-Saisonstart, zu belanglos seien die ersten Wochen zuvor.


Die Formkurve im November, zu Beginn einer 82 Spiele plus Play-offs umfassenden Saison, sagt relativ wenig darüber aus, wer im Juni die Larry O’Brien Trophy in die Höhe recken wird. Das In-Season-Turnier bringt nun einen neuen sportlichen Aspekt ins Spiel, der Spannung erzeugen und die NBA auch im November und Dezember bedeutsam machen soll.


Dafür legt sich die Liga mächtig ins Zeug. Zwei Tage der Woche sind explizit dem In-Season-Turnier vorbehalten, dann machen sich die Teams mit speziellen Jerseys und die Arenen mit neuen Court-Designs schick, um sich deutlich von dem Regular-Season-Trott abzuheben. Damit einher gehen einige Kinderkrankheiten: Beim Debüt in Denver wurde die Dreierlinie mit falschem Abstand auf dem Parkett aufgemalt. Einige der knallbunten Courts schossen für manche Betrachter weit über das Ziel hinaus.

Oklahoma City Thunder, Miami Heat


Gewöhnungsbedürftig: Die neuen Court-Designs einiger Teams kamen nicht überall gut an.
Getty Images (2)

Das NBA-In-Season-Turnier: Bedenken und Begeisterung


All die Bemühungen der NBA drohten ohnehin im Sande zu verlaufen, sofern die Spieler nicht mitziehen. Genau da gab es einige Bedenken, auch von den Akteuren selbst. „Um ganz ehrlich zu sein: Niemand interessiert sich dafür, jeder schielt nur auf das große Ding“, sagte Grizzlies-Guard Marcus Smart vor Saisonbeginn und betonte damit seinen Fokus auf die echte Championship, eben das „große Ding“. Was viele der Pokalwettbewerbe im Fußball bedeutsam macht, sind die großen Traditionen – und die großen Sensationen. Ersteres gibt es logischerweise beim NBA Cup nicht, „das wird Zeit brauchen“, weiß Liga-Boss Silver. Zweiteres gibt es in der Einklassengesellschaft NBA ebenfalls nur in eingeschränkter Form.


Warum also sollten die Spieler ihr Herzblut auf dem Court lassen für einen Wettbewerb, der ihnen nichts bedeutet? Die Antwort ist, wie sollte es anders sein: das Geld. Zur extrinsischen Motivation hat die NBA ein Preisgeld in Höhe von 500.000 Dollar für jeden Spieler des Siegerteams ausgerufen. Für die Stars wie LeBron James oder Stephen Curry Peanuts, für viele ihrer Teamkollegen, die teils mit ungarantierten Verträgen spielen, kann eine halbe Million aber das Leben verändern. „Ich habe gehört, es geht um 500.000 Dollar – die wollen wir haben. Darauf haben wir es abgesehen“, meinte James.

NBA Cup 2023: Die Preisgelder



  • Siegerteam: 500.000 Dollar pro Spieler


  • Verlierer Finale: 200.000 Dollar pro Spieler


  • Verlierer Halbfinale: 100.000 Dollar pro Spieler


  • Verlierer Viertelfinale: 50.000 Dollar pro Spieler


  • Alles Wissenswerte zum NBA Cup

Neue Chancen und neue Herausforderungen


Für andere, vor allem junge Teams, birgt das In-Season-Turnier weitere Vorteile: „Es ist das erste Mal, dass ich auf dem NBA-Level wirklich um einen Titel spiele“, zeigte sich Tyrese Haliburton begeistert von der Innovation. Der 23-Jährige ist der Kopf der aufstrebenden Indiana Pacers. Das Juwel hat sich in der laufenden Saison als einer der Stars der Liga etabliert, führt die NBA bei den Assists an (rund 12) und erzielt selbst etwa 27 Punkte pro Spiel.


Mit begeisterndem Offensiv-Basketball sind die Pacers bis ins Halbfinale gestürmt und haben dabei in den Boston Celtics sogar ein absolutes Top-Team der Liga rausgeworfen. Für die junge Mannschaft bietet sich die Chance zu lernen, was es zum Gewinnen braucht, wenn es wirklich um etwas geht. In den vergangenen Jahren dümpelte Indiana zumeist im Tabellenkeller, die Play-offs waren außer Reichweite, bedeutsame Spiele Mangelware.


Alles, was mehr Wettbewerb fördert, ist gut.


Heat-Coach Erik Spoelstra


Diese hat das In-Season-Turnier bereits in der Gruppenphase vielfach gebracht. Eng und umkämpft ging es nicht nur am letzten Spieltag zu, in den Arenen herrschte gute Stimmung, manche Spieler sprachen gar von einer „Play-off-ähnlichen“ Atmosphäre. Entsprechend mehrten sich die positiven Stimmen. „Alles, was mehr Wettbewerb fördert, ist gut“, sagte Erik Spoelstra, der Head Coach der Miami Heat.


Auch in dieser Hinsicht muss sich mancher aber noch an die neuen Umstände gewöhnen. Dass im Ranking plötzlich die Punktedifferenz bei der Platzierung eine Rolle spielt, ist für die NBA ungewohnt und im US-Sport generell unüblich. Als manch unterlegenes Team in den Schlussminuten bereits entschiedener Partien seine besten Spieler runterholte, der Gegner aber weiter mit den Startern das Punktekonto aufplusterte, monierte unter anderem Chicagos DeMar DeRozan fehlenden „Respekt vor dem Spiel“.


Das erste Zwischenfazit der NBA dürfte dennoch positiv ausfallen. Das In-Season-Turnier hat in seiner Premieren-Ausgabe Spannung in eine zuvor fade Phase der Saison gebracht, sogar schon vor Beginn der K.-o.-Phase. An manchen Stellschrauben wird noch zu drehen sein, doch im November und Dezember hat sich der Basketball wieder mehr in den öffentlichen Fokus gespielt. Mittlerweile dürfte wirklich jeder verstanden haben, was da abgeht.

© – by kicker.de

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