NBA – Gordon Hayward und das große What-If: Ein Knacken, das die Liga veränderte – NBA – Basketball


Eigentlich ist 34 heutzutage kein Alter mehr. LeBron James, Al Horford und Chris Paul gehen stramm auf die 40 zu, mit Stephen Curry und Kevin Durant fanden sich vergangene Saison noch weitere Spieler in den All-NBA-Teams, die „Mitte 30“ schon hinter sich haben und trotzdem eher weit vom Karriereende entfernt scheinen. Bei Gordon Hayward war das anders.

Mit 34 machte er Anfang August Schluss – und so richtig überraschte das niemanden. Es ließe sich bei ihm schließlich argumentieren, dass das Karriereende schon vor Jahren stattgefunden hat. Das, welches zumindest den relevanten Teil seiner Laufbahn beendete – als er sich im Oktober 2017 Schienbein und Knöchel brach, im ersten Spiel für sein damals neues Team.

Nicht, dass er danach nie wieder guten Basketball gespielt hätte. Aber der Spieler, der er vorher mal gewesen war, der wurde er nicht mehr – seine Blütezeit, die damals gerade hätte anfangen sollen, war ab diesem Tag vorbei. Hayward hatte immerhin das Glück, dass er seinen Maximalvertrag direkt davor unterschrieben hatte; und dass Charlotte nach Ablauf dieses Deals sogar noch einmal die Geldtruhe aufmachte.

Hayward wurde bis zum Ende wie ein Star bezahlt, war aber schon lange keiner mehr, diesen Status nahm ihm die Verletzung. Deren Bedeutung ging allerdings noch weit über ihn hinaus – sie betraf sein Team, die gesamte Liga. Bis heute ist ihr Effekt spürbar. Die Verletzung gehört zu den größeren What-Ifs der jüngeren NBA-Geschichte.

Celtics 2017: Das interessanteste Projekt der Liga

Im Sommer 2017 sah die NBA anders aus als heute. Die Warriors hatten soeben ihren ersten Titel mit Kevin Durant gewonnen, galten als fast unschlagbar – sodass manche Teams schon für die Zeit danach planten. Die Rockets waren ein Team, das es trotzdem versuchte, All-In zu gehen. Die Celtics waren das andere, in gewisser Weise das interessanteste Projekt der Liga.

Schon im Jahr zuvor hatte Boston die Conference Finals erreicht, dort gegen LeBron James und dessen Cavaliers aber keine Chance gehabt. In der Offseason tradeten ausgerechnet diese beiden Teams miteinander – Kyrie Irving kam nach Boston, (unter anderem) Isaiah Thomas ging dafür nach Cleveland.

Boston Celtics' Kyrie Irving, left, and Gordon Hayward hold up their new jerseys with General Manager Danny Ainge, right, during a news conference in Boston, Friday, Sept. 1, 2017. (AP Photo/Winslow Townson)
Kyrie Irving und Gordon Hayward sollten die Boston Celtics anführen. picture alliance/AP Images

Wenige Wochen zuvor hatten die Celtics bereits das Rennen um einen der begehrtesten Free Agents des Sommers gemacht – Hayward. Einen der besten jungen Forwards der Liga, der in Utah gerade sein stärkstes Jahr gespielt, knapp 22 Punkte, 5,4 Rebounds und 3,5 Assists pro Spiel aufgelegt hatte.

Für vier Jahre und knapp 128 Mio. Dollar war der amtierende All-Star aus Utah zu dem Team gewechselt, das sein einstiger College-Coach Brad Stevens damals betreute.

Super-GAU im ersten Spiel

Irving, Hayward und Al Horford sollten quasi die Star-Achse des Teams in Boston bilden – junges Talent war indes auch schon da. Jaylen Brown hatte gerade sein Rookie-Jahr hinter sich, Jayson Tatum wurde mit dem Nr.3-Pick gedraftet. Der Kader des Teams liest sich aus heutiger Sicht bemerkenswert:

– Guards: Kyrie Irving, Marcus Smart, Terry Rozier

– Wings: Gordon Hayward, Jaylen Brown, Jayson Tatum, Marcus Morris

– Bigs: Al Horford, Aron Baynes, Daniel Theis

Niemand sagte vor der Saison, dieses Team sei besser als die Warriors, aber: Boston galt als womöglich erster Herausforderer, als bester Kandidat, um die Ost-Hegemonie von LeBron und den Cavs zu durchbrechen. Und als Team, das ideal für die Zukunft aufgestellt war: Abgesehen von Horford (damals 31) waren Morris (28) und Hayward (27) die ältesten Spieler der Rotation.

Dann kam der Saisonstart, ein Spiel gegen, natürlich, Cleveland. Für Hayward sollte dieses nur fünf Minuten und 15 Sekunden andauern. Beim Versuch, einen Alley-Oop-Pass zu erwischen, kollidierte er in der Luft mit LeBron und landete so schief auf seinem Fuß, dass sowohl Knöchel als auch Schienbein dem Druck nicht standhalten konnten und wegbrachen.

Niemand wollte hinsehen, niemand konnte wegsehen. Selbst die gegnerischen Spieler konnten ihren Schock nicht verstecken. „Das sind die Verletzungen, die man nie kommen sieht und die nie passieren sollen, egal bei wem, egal, für wen man spielt“, sagte LeBron. Für den Moment spielte es keine Rolle, dass sein größter Konkurrent im Osten einen herben Verlust erlitten hatte.

Die Jungen drängen nach oben

Selbst ohne Hayward rechtfertigte Boston diesen Status – was nur wieder unterstrich, wie tief dieses Team besetzt war. 55 Siege gab es in der Regular Season, nur Toronto holte im Osten mehr. In den Playoffs – dann auch ohne Irving, der bereits ab Anfang März ausfiel – schaffte es Boston auf den Schultern von Tatum und Brown in Spiel 7 der Conference Finals.

Nur eine Mammut-Leistung von James (35 Punkte, 15 Rebounds, 9 Assists) verhinderte, dass die Celtics direkt im ersten gemeinsamen Jahr die Warriors herausfordern durften. Ohne ihre etablierten Stars, dafür mit starken Runs ihrer jungen Forwards, die das Team in den Playoffs beim Scoring anführten und andeuteten, dass auch sie die Aushängeschilder des Teams sein könnten.

Vielleicht wäre das früher oder später ohnehin passiert – vielleicht aber auch nicht. Diese Veränderung der team-internen Dynamik jedenfalls wirkte sich dann ziemlich direkt auch auf alles Weitere aus, was in Boston passieren sollte.

Kyrie und die Jays: Es passte nicht

Die jungen, zunehmend selbstbewussten Spieler und Irving harmonierten nach dessen Rückkehr nicht immer. Kyrie (damals 26) wollte einst aus Cleveland weg, um sein eigenes Team zu haben und nicht mehr im Schatten von LeBron zu stehen – nun drängten auf einmal andere Spieler ins Rampenlicht, machten ihm gewissermaßen seinen Status zunichte.

Die Boston Celtics enttäuschten in der Saison 2018/19.
Die Boston Celtics enttäuschten in der Saison 2018/19. IMAGO/USA TODAY Network

Die 18/19er Saison war folglich von Querelen und Problemen geprägt, Boston gewann trotz seines Talents nur 49 Spiele, sechs weniger als im Vorjahr, und sah bei Tatum und Brown eher Rückschritte. In den Playoffs schied Boston in Runde zwei sang- und klanglos gegen Milwaukee aus, zu diesem Zeitpunkt wirkte das Experiment bereits gescheitert.

„Wir haben damals gelernt, dass Talent alleine nicht reicht. Es braucht Opferbereitschaft, den Willen, auch die kleinen Dinge zu tun. Es lag nicht an Kyrie, es lag an uns allen“, blickte Tatum im Juni 2024 zurück. „Wir alle haben dazu beigetragen, dass diese Saison kein Erfolg war, und daraus gelernt.“

Die internen Probleme machten wiederum auch die nächsten Pläne zunichte. Ein Kalkül war schon beim Irving-Trade gewesen, dass dieser noch andere Stars – etwa Anthony Davis – nach Boston locken könnte. Dafür soll Boston den damaligen Berichten zufolge auch offen gewesen sein, Tatum, Brown und/oder Smart in irgendeiner Form oder Kombination in Trades anzubieten.

Davis wehrte sich allerdings dagegen – sein Agent Rich Paul warnte die Celtics sogar öffentlich, für „AD“ zu traden, da dieser als Free Agent ohnehin wieder gehen würde. Was wohl nicht zuletzt daran lag, dass auch Irving nach rund anderthalb Jahren schon wieder seinen Abgang aus Boston plante und diesen im Sommer 2019 tatsächlich umsetzte.

Hayward: Nicht Boston war der große Verlierer

Boston sah wie der große Verlierer aus, als Irving sich als Free Agent den Brooklyn Nets anschloss. Erst recht, nachdem die Celtics zwei Jahre später in den Playoffs chancenlos gegen genau diese Nets ausschieden. Heute ist bekannt: Es ist ultimativ doch sehr gut für die Celtics gelaufen.

2022 erreichte Boston die Finals, 2024 folgte endlich der Titel. Es ist unklar, ob eine etwaige Davis+Kyrie+x-Kombination das auch geschafft hätte, klar ist aber, dass die Celtics auch aufgrund des Alters der Jays gut damit gefahren sind, auf dieses Tandem zu setzen, und für die Zukunft exzellent mit ihnen aufgestellt sind.

Klar ist auch, dass Brooklyn – zunächst der große Gewinner des Celtics-Fiaskos – wenig später selbst zum größten Fiasko der vergangenen NBA-Dekade mutierte. Und wohl noch eine ganze Weile unter den Folgen zu leiden haben wird. Irving brauchte bis zur vergangenen Saison, um seine eigene Karriere in Dallas wieder in die richtige Bahn zu lenken.

Kein Happy End für Hayward

Und Hayward? Der versuchte für zwei Jahre, wieder in Boston Fuß zu fassen, zunächst als Sixth Man und dann als Starter, dem allerdings die Dynamik von vor der Verletzung fehlte. 2020 entschieden sich die Celtics nach schwachen Hayward-Playoffs dagegen, mit einem Angebot aus Charlotte (4 Jahre, 120 Mio. Dollar) mitzuziehen, welches damals schon niemand verstand.

CHICAGO, IL - DECEMBER 06: Gordon Hayward 20 of the Charlotte Hornets looks on during the second half against the Chicago Bulls at the United Center on December 6, 2023 in Chicago, Illinois. (Photo by Melissa Tamez Icon Sportswire) NBA, Basketball Herren, USA DEC 06 Hornets at Bulls EDITORIAL USE ONLY Icon23120647
Gordon Hayward wurde in Charlotte wie ein Superstar bezahlt. IMAGO/Icon Sportswire

Hayward spielte in Charlotte teilweise durchaus gut, in Jahr eins nach dem Wechsel legte er immerhin fast 20 Punkte im Schnitt auf, der Forward verletzte sich jedoch weiter ständig und kam seit 18/19 nicht mehr über 52 Spiele in einer Saison hinaus. Auch das Happy End wurde ihm letztlich verwehrt, auch wenn OKC es vergangene Saison noch einmal versuchte.

Zur Trade Deadline tradeten die Thunder für Hayward – in der Hoffnung, dieser könne ihr finales Puzzleteilchen sein. Es kam anders, Hayward trug über 26 Spiele in der Regular Season 5,3 Punkte bei und blieb über sieben Playoff-Einsätze ohne ein einziges Pünktchen. „Dieser Fehler geht auf meine Kappe“, sagte Thunder-GM Sam Presti nachher über Deal.

Alles hängt zusammen

Eine positive Funktion hatte dieser indes doch – da Haywards Vertrag auslief, anders als die Verträge von Tre Mann und Vasilije Micic, die OKC für ihn abgab, schaufelte Presti durch diesen Trade Cap-Space für den Sommer frei und hatte die Möglichkeit, Isaiah Hartenstein mit einem sehr lukrativen Angebot als Free Agent ins Team zu holen.

Was auch nur wieder unterstreicht, dass in der NBA jede Aktion eine Reaktion hat, jeder kleine Deal, jede große Verletzung, jede Geschichte irgendwie zusammenhängt und die nächste Geschichte bedingen kann.

Im Prinzip war Hayward auch zum Abschluss seiner Karriere nochmal daran beteiligt, ein Team mit Titelambitionen zu komplettieren, es womöglich auf die finale Stufe zu heben. Nur eben nicht so, wie man sich das ursprünglich mal ausgemalt hatte.

© – by kicker.de

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