Pesic: „WM-Titel ist ein Produkt des deutschen Basketballs“ – NBA – Basketball



Nach dem Triumph startet die „Liga der Weltmeister“ nun in ihren Alltag. Bayern-Geschäftsführer Marko Pesic (46) erklärt, wie der FCB mit neuem Trainer, neuem Star und drei WM-Helden künftig wieder den Titel holen will.


An diesem Mittwoch geht die Basketball-Bundesliga in ihre 58. Saison. Ex-Profi Marko Pesic hat dabei nicht nur seine Bayern im Blick, er weiß auch um die Wichtigkeit, die Euphorie des WM-Titels ins Tagesgeschäft der BBL zu transportieren. Der im ehemaligen Jugoslawien geborene Pesic spricht über die Herausforderungen für die Liga, die TV-Rechte, die Meisterfavoriten und, klar, über das für ihn ganz besondere WM-Finale in Manila.


Vor einigen Monaten haben Sie in der BIG einen Vergleich zwischen der deutschen Nationalmannschaft 2002, mit der Sie WM-Bronze gewonnen haben, und der aktuellen Generation gezogen. Da sagten Sie: „Jeder weiß, was für eine hohe Meinung ich von der aktuellen Generation habe, aber bei allem Respekt: Die hätten keine Chance gegen uns.“ Stehen Sie noch zu dieser Aussage, Herr Pesic?
Natürlich sehe ich das heute genauso (lacht). Nein, nein! Spätestens seit diesem Sommer haben sie beweisen, dass sie besser sind als wir oder als wir es waren. Diese Generation ist nicht nur durch den Weltmeister-Titel eine besondere – klar.


Ihr Vater Svetislav, der unter anderem den FC Bayern trainiert und Deutschland 1993 zum EM-Titel geführt hat, war als Nationaltrainer Serbiens nun der Gegner im Finale. Wie war das für Sie persönlich: der eigene Vater gegen das „eigene“ Nationalteam?
Es war ein ganz besonderer Tag. Einen solchen Tag habe ich noch nie erlebt. Eine Million Leute haben gefragt, zu wem ich halte oder wie ich mich fühle … Es war wirklich schwer. Ich sage immer: Es gibt eine Institution, die steht über allem – und das ist die Familie. Natürlich war ich für meinen Vater, und ich hätte mich für ihn gefreut, wenn er gewonnen hätte. Aber er hat ja schon einen Weltmeistertitel (2002 mit Jugoslawien, d. Red.), deswegen passt das alles. Es ist eigentlich ganz gut.


Warum war Deutschland im WM-Finale besser? Ein verdienter Weltmeister?
Es gab viele Gründe. Einer ist, dass Deutschland topfit im Endspiel war. Serbien hatte Probleme, zwei Spieler sind verletzt beziehungsweise krank in das Spiel gegangen. Ein wichtiger Spieler (Ognjen Dobric, d. Red.) hat sich gleich in der zweiten Minute verletzt und dann nicht mehr gespielt. Die Unruhe war eher bei Serbien als bei Deutschland. Man muss auch ehrlich sagen, dass Deutschland mehr Kontinuität im Kader hatte als die serbische Mannschaft, die vor dem Turnier praktisch neu zusammengestellt wurde. Am Schluss wurde es zwar noch einmal knapp, aber Deutschland hatte alle Spiele gewonnen und war besser im Endspiel. Deshalb war es verdient.


Welchen Anteil hat die BBL am Erfolg der Nationalmannschaft? Ihr Vater meinte zuletzt, dass sich Serbien ein Vorbild an der BBL nehmen sollte.
Ich bin der Meinung, man darf diesen Jungs, die Weltmeister geworden sind, nicht irgendetwas wegnehmen. Was auch immer in den letzten zehn Jahren passiert ist und wo sie auch ausgebildet worden sind – das ist natürlich alles toll. Aber eine Weltmeisterschaft so zu gewinnen, wie sie es getan haben, das kann nur diese Mannschaft. Das mal vorneweg. Die BBL hat aber auch einen Anteil an dieser Generation. Vielleicht nicht an der WM direkt, aber an dieser Generation. Die Art und Weise, wie die Spieler ausgebildet worden sind, dass in der Mannschaft eine passende Chemie entwickelt werden konnte – daran hat die BBL großen Anteil. 2010/11 wurden einige Entscheidungen (z. B. die 6×6-Regel, verpflichtende hauptamtliche Jugendtrainer, U 16 JBBL und U 19 NBBL als Leistungsligen, d. Red.) getroffen, die auch dazu geführt haben, dass der deutsche Basketball solch eine Generation hat. Das ist klar. Sicherlich spielte die BBL eine Rolle, fast alle diese Spieler haben in der BBL gespielt, manche auch in kleineren Vereinen. Es ist ein Gesamtprodukt des deutschen Basketballs.


Wie also kann die Liga vom Erfolg der Nationalmannschaft profitieren?
Nach großen Erfolgen fragen die Leute so etwas immer wieder. Der Basketball oder die Bundesliga müssen nichts anderes machen als das, was sie bisher gemacht haben: weiterentwickeln und weiter hart arbeiten. Offensichtlich sind der Plan, den man hat, und die Richtung, die angestoßen wurde, richtig. Der Weg ist klar: Man muss dranbleiben. Dass die Sportart in Bezug auf mediale Anerkennung über sich hinauswächst, liegt nicht nur am Basketball selbst, der kann das ebenso wenig wie Eishockey oder Handball allein leisten. Es liegt auch an der Öffentlichkeit, diesen Sport ein bisschen mehr oder anders darzustellen als bisher.


Offensichtlich kann man sich diese Spieler hier nicht leisten.


Marko Pesic über die Tatsache, dass nur vier Weltmeister in der BBL spielen


Stil, Spirit, Spielweise: Was kann man sich von der Nationalmannschaft abschauen – auch die Bayern? 
Die Spielweise überhaupt nicht, denn die hängt immer von den Spielern ab, die man hat. Was wir alle von dieser Nationalmannschaft oder besser gesagt der Art und Weise, wie diese entwickelt worden ist, lernen können, ist, dass Misserfolg unausweichlich ist. Bei der WM 2019 hat diese Generation schlimm verloren, man ist in der Gruppenphase gegen die Dominikanische Republik (68:70) ausgeschieden. Man ist der Generation und den Spielern aber treu geblieben, hat den Weg nicht verlassen. Dann kam die überraschende Qualifikation für die Olympischen Spiele in Tokio, wo man Selbstvertrauen getankt hat. Dann kamen die Bronze-Medaille bei der EM 2022 und jetzt die Weltmeisterschaft. So ein Prozess geht nicht von heute auf morgen. Niederlagen gehören dazu. Wenn man diese hernimmt, um besser zu werden und seine Probleme zu lösen, dann führt das unausweichlich zu Erfolg. Das kann man von dieser Nationalmannschaft lernen.


Es spielen nur vier Weltmeister in der BBL. Sind die besten Deutschen inzwischen einfach zu gut für die Liga?
Acht von zwölf Weltmeistern spielen entweder in der NBA oder in europäischen Spitzenvereinen. Ich glaube, dass das ein großes Lob für den deutschen Basketball ist – und die Vereine, die ausgebildet haben. Ich würde nicht sagen, dass sie zu gut für die BBL sind, ich würde sagen, dass sie interessant sind für die Top-Klubs in Europa. Offensichtlich kann man sich diese Spieler hier nicht leisten. Natürlich wäre es super, wenn acht von zwölf in Deutschland wären; momentan ist das nicht möglich.


Wo sehen Sie die BBL im internationalen Vergleich?
Von der Logistik, der Struktur und der Organisation sicherlich in den Top 3 in Europa. Sportlich haben wir in den letzten Jahren große Schritte gemacht. Um dort anzukommen, wo die spanische oder die türkische Liga sind – für mich sportlich die zwei besten Ligen Europas -, braucht es einen europäischen Erfolg. Der Sieg der Telekom Baskets Bonn in der Champions League im letzten Jahr war der erste große Schritt, aber es braucht auch Erfolge in der höherklassigen Euroleague oder im Eurocup.


Ibaka war für uns vor einem Monat noch undenkbar.



Bundestrainer Gordon Herbert hat trotz seiner Erfolge wie der Meisterschaft 2004 oder dem Europe- Cup-Sieg 2016 mit Frankfurt nie in der Euroleague gecoacht. Wurde er als Trainer zu lange unterschätzt? 
Von mir nicht. Er hat eine starke Persönlichkeit und verfügt über viel Basketball-Kompetenz. Er hat viel Aufbauarbeit in Deutschland geleistet. Wahrscheinlich fehlte einfach die Aufmerksamkeit während seiner Zeit in Würzburg oder Frankfurt. Er hat immer auf junge Spieler gesetzt, diese ausgebildet. Ich weiß nicht, warum er nicht bei einem Euroleague-Verein gelandet ist. Vielleicht war es einfach schlechtes Timing oder es hat die Möglichkeit gefehlt? Grundsätzlich ist er top, er passt wie die Faust aufs Auge zu dieser Generation. Er hat den richtigen Weg zwischen Disziplin, guter Chemie und Freiheit gefunden.


Uli Hoeneß hätte gerne, dass noch mehr Metropolen in der BBL mitspielen wie Stuttgart, Köln, Dortmund …
Es ist eine gute Sache, eine Mischung aus traditionellen Standorten und Basketball in größeren Städten zu haben. Das kann aber nicht erzwungen werden, das muss gewollt sein. Sicherlich wäre es für den deutschen Basketball super, wenn der BVB eine Basketball-Mannschaft hätte oder der VfB Stuttgart. Aber das muss gewollt sein, es muss verstanden werden, da muss ein Plan dahinter sein – dann würde es Sinn ergeben.

Sie sollen das jungen Münchner Team führen: Vladimir Lucic und Serge Ibaka (re.).


Sie sollen das jungen Münchner Team führen: Vladimir Lucic und Serge Ibaka (re.).


Mit NBA-Champion Serge Ibaka hat der FC Bayern einen Transfercoup gelandet: Was erhofft man sich vom 34-Jährigen – mehr als Marketing?
Wir hatten unseren Kader sehr früh komplett und nur eine Position, die wir noch besetzen wollten. Auf den Außenpositionen sind wir eine sehr junge Mannschaft. Unsere Idee war, dass wir unter dem Korb, wo wir Devin Booker und den momentan verletzten Vladimir Lucic haben, noch mehr Erfahrung brauchen, um diese jungen Spieler zu führen. Es war immer das Ziel, jemanden zu finden, der Qualität und Persönlichkeit besitzt, der seine Erfahrung weitergeben kann – eine Führungskraft. Vor einem Monat war es undenkbar, dass das Ibaka werden wird, aber vor zwei Wochen war das auf einmal möglich. Deswegen haben wir ein bisschen was riskiert, hatten auch Glück, dass Ibaka schon unter Pablo Laso gespielt hat. Marketing- Überlegungen haben überhaupt keine Rolle gespielt. Ich glaube aber, dass bei einer Persönlichkeit wie Ibaka so etwas automatisch mitkommt.


Apropos junge Spieler, schafft Ivan Karchenkov (17) den großen Durchbruch?
Er ist ein außergewöhnliches Talent. Er hat im Sommer seine Schule beendet. Es ist für ihn das erste Jahr, in dem er sich voll auf Basketball konzentrieren kann, er ist jetzt Profi. Pablo Laso gibt ihm auch die Chance, er hat nicht nur in jedem Vorbereitungsspiel angefangen, sondern auch fast 20 Minuten im Schnitt gespielt. Wir haben großes Vertrauen in ihn. Die Frage ist: Kann er sein großes Talent in Qualität umwandeln? Ich bin sicher „ja“, es wird sicherlich eine Zeit dauern, aber er ist ein Rohdiamant des deutschen Basketballs.


Mit Laso, mehrmaliger spanischer Meister und zweimaliger Euroleague-Sieger, wurde ein sehr erfolgreicher Trainer geholt. Wie unterscheidet er sich von Vorgänger Andrea Trinchieri oder Ihrem Vater?
Für mich ist es ein bisschen zu früh, ihn mit anderen Trainern zu vergleichen. Dafür braucht es noch Zeit. Was ich bisher gesehen habe, ist genau das, was wir wollten. Wir haben eine gute Beziehung, sind in der Lage, uns auch offen die Meinung zu sagen, und wollen den Plan, den wir gemacht haben, auch so durchziehen.


Es gibt keinen Grund, arrogant aufzutreten.



Alba Berlin hat mit Jaleen Smith oder Maodo Lo wichtige Spieler verloren, die Telekom Baskets Bonn mussten TJ Shorts ziehen lassen, und in Ulm gab es auch einen Aderlass. Die Bayern haben gut eingekauft, zudem mit Andi Obst, Isaac Bonga und Niels Giffey drei Weltmeister: Macht sie das automatisch zum Top-Favoriten?
Das weiß ich nicht, aber unser Ziel ist ganz klar die Meisterschaft. Wir wollen auch den Pokal verteidigen. Ob wir zum Favoriten gemacht werden oder nicht, liegt nicht an uns. An uns liegt, dass wir mit großer Demut in die Saison gehen. Wir sind seit vier Spielzeiten nicht mehr Meister geworden (zuletzt Ulm und dreimal Berlin, d. Red.). Es gibt keinen Grund, arrogant aufzutreten. Wir sollten aber auch genug Selbstvertrauen haben, weil wir glauben, dass unser Kader stark ist. Und weil wir Spieler haben, die Qualität haben und in der Lage sind, sich über die Saison zu entwickeln. Vor allem die jungen Spieler auf den Außenpositionen.


Welcher Mannschaft trauen Sie in der kommenden Saison eine Überraschung zu?
Das ist immer so schwer. Es gibt immer eine Mannschaft, die überrascht, die irgendwas Besonderes macht, weil die Kaderzusammenstellung einfach passt. Ich bin großer Fan von Chemnitz, weil ich glaube, dass sie seit Jahren einen tollen Job machen. Ich glaube, dass die wieder eine sehr gute Saison haben werden. Aber ich kenne die anderen Mannschaften viel zu wenig, bin mir aber sicher, dass der ein oder andere überraschen wird – das steht außer Frage. Es ist aber noch kein Spiel gespielt worden, deshalb ist es auch sehr schwer, eine solche Frage zu beantworten.


„MagentaTV“ übertrug zuletzt die BBL, jetzt übernimmt mit „Dyn“ ein neuer Anbieter, der noch keine große Reichweite hat. Wie sehen Sie diesen Wechsel?
Ich sehe da keine Gefahr, vielmehr ist es eine große Chance. Ich kann mich erinnern: 2014 oder 2015 wollte niemand Basketball übertragen – und jetzt haben wir zwei große Player, die sich darum streiten. Das ist erst mal nichts Negatives. Natürlich ist „Dyn“ am Anfang, man muss sehen, wie das Produkt am Ende des Tages aussieht. Aber die Kooperationen, die neben „Dyn“ mit dem Springer-Verlag und den Öffentlich-Rechtlichen getroffen wurden, sind sehr gut und eine Voraussetzung, dass es funktionieren wird. Und bei Magenta freut es mich riesig, dass sie bei der Weltmeisterschaft für die Arbeit, die sie im letzten Jahrzehnt geleistet haben, belohnt worden sind. Der Basketball kann sich glücklich schätzen, dass zwei so große Player auf dem Markt sind.

Interview: Dr. Vladimir Milutinovic

© – by kicker.de

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