Schröder, Wagner, Herbert: Diese DBB-Schwächen kosteten den Finaleinzug – NBA – Basketball



Die deutschen Basketball-Weltmeister zeigen nach 13 Siegen in Serie bei großen Turnieren ihre schwächste Leistung seit Langem und verlieren gegen verbesserte, aber keineswegs unschlagbare Franzosen das Olympia-Halbfinale. Ein bittere Niederlage mit vielen Ursachen. Auch Erfolgscoach Gordon Herbert hat seinen Anteil. Eine Analyse.


Aus Paris berichtet Carsten Schröter-Lorenz


Als Franz Wagner einen tiefen Dreier zur frühen 12:2-Führung trifft, zeigt Ehrengast Dirk Nowitzki in der ersten Reihe mit beiden nach oben ausgestreckten Armen drei Finger. Das deutsche Weltmeisterteam fühlt mal wieder den Flow, wie so oft in jüngster Vergangenheit. Das sollte jedoch das letzte Mal gewesen sein im Olympia-Halbfinale am Donnerstagabend in der Arena Bercy.


Nach Ende des ersten Viertels steht noch eine 25:18-Führung, doch dann verliert das DBB-Team nach und nach die Kontrolle über das Spiel, das letztlich trotz eines Schlussspurts 69:73 verloren geht. Eine äußerst bittere Niederlage angesichts des erstmals möglichen Einzugs in ein olympisches Finale. Und eine Niederlage, die zwar auch mit einem verbesserten, von einem frenetischen Heimpublikum unterstützten Gegner zu tun hat, vor allem aber mit der eigenen Leistung. Die Hauptursachen.

Verteidigung


„Mit unserer Defense haben wir sie nicht aus so vielen Dingen rausgenommen wie noch im Gruppenspiel“, räumt Franz Wagner ein. Die griffige, intensive Verteidigung ist grundsätzlich die große Stärke im Team von Gordon Herbert, war sowohl beim 85:71-Erfolg im Gruppenfinale gegen Frankreich, als auch, vor allem in der zweiten Hälfte, im Viertelfinale gegen Griechenland ein Schlüsselfaktor für den Erfolg.


Diesmal hatte das DBB-Team speziell unterm Korb große Probleme mit den physisch starken Big Men Guerschon Yabusele und Matthias Lessort. Beide durften deutlich mehr spielen als der eher statische und offensiv einseitige Rudy Gobert. Ein schon länger überfälliger, erstmals im Viertelfinale gegen Kanada umgesetzter Schachzug von Coach Vincent Collet.




„Auf der anderen Seite haben sie mit ihrer Verteidigung bei unseren Set-Plays das Timing verändert und es uns ein bisschen schwer gemacht“, analysiert Wagner. Besonders gegen ihn und Kapitän Dennis Schröder schlossen die Franzosen konsequent den Weg in die Zone, schränkten damit über weite Strecken deren große Stärke ein: Den Drive zum Korb.

Entscheidungsfindung und Wurfquote


Besonders auffällig waren mehrere untypische Fehleinschätzungen von Anführer Schröder. Einmal lehnte er sich in den 2,24 Meter großen Victor Wembanyama rein, wollte den Ball dann in den Korb legen und wurde geblockt. Später nahm er einen Dreier gegen den heranfliegenden Wemby – wieder geblockt.


Beim Korbleger nach langem Pass ließ sich Schröder noch vom hinterhersprintenden Nicolas Batum abräumen. Später versuchte er aus unrealistischer Position einen Unterhandkorbleger gegen Yabusele: der Ball landete am Schaumstoff der unteren Brettkante.



Nick Weiler-Babbs Quote stand sinnbildlich für die unnötigen Ballverluste der DBB-Auswahl.
IMAGO/GEPA pictures


Hinzukamen teilweise unnötige Ballverluste: So passte Daniel Theis zweimal recht unbedrängt den Ball ins Aus, Schröder verzeichnete drei Ballverluste in 33:08 Spielminuten, gab aber immerhin auch vier Assists. Nick Weiler-Babbs Quote von einem Assist und ebenso drei Turnovern in 17:09 Minuten fiel für den defensivstarken Back-up-Guard schlecht aus und steht sinnbildlich dafür, dass das DBB-Team nicht gut genug auf den Ball aufpasste. 15 Ballverluste waren es im Halbfinale, nach zuvor zehn im Schnitt.


Trotz dieser Probleme kam die deutsche Auswahl zu einigen guten Würfen. Die Trefferquote aus dem Feld von nur 40,3 Prozent (25/62) war jedoch nicht ausreichend. Auch hier ein Geständnis von Franz Wagner: „Wir haben ein paar gute Dinger nicht getroffen, ein paar Situationen nicht verwertet, die wir sonst verwerten.“

Leistungsträger


Franz Wagner selbst, der im Gruppenspiel noch 26 Punkte aufgelegt hatte, blieb mit zehn Zählern diesmal deutlich unter seinen Möglichkeiten. Bei genauerem Hinsehen ist es aber vor allem die Anzahl der Aktionen, die stutzig macht. Wagner nahm nur zehn Würfe aus dem Feld (vier Treffer) und stand gar nicht an der Freiwurflinie.


Ein klares Indiz dafür, dass er trotz der verbesserten französischen Verteidigung bei seiner Qualität mehr Aktionen hätte forcieren und noch aggressiver und konsequenter hätte attackieren sollen, zumal er auch so mit +9 auf den besten Plus-Minus-Wert im gesamten Team kam. Im Gruppenspiel hatte Wagner 8/15 Feldwürfe und 8/8 Freiwürfe verzeichnet.


Sehr unglücklich, aber passend zu diesem Abend: Wagner fliegt beim Stand von 68:70 und zwölf zu spielenden Sekunden bei seinem Defensivrebound mit dem Ball ins Seitenaus. So war die Chance, auszugleichen oder per Dreier sogar in Führung zu gehen, dahin.


Schröder, der beim Sieg in der Gruppe ebenso 26 Punkte (10/17 aus dem Feld, 2/2 Freiwürfen) markiert hatte, nahm sich auch im Halbfinale berechtigterweise seine Würfe (6/18 aus dem Feld, 3/4 Freiwürfen), traf aber vor allem von der Dreierlinie (3/11) zu schlecht. Hinzukamen die teilweise unglücklichen Entscheidungen und eben nur vier Assists, neun waren es im Gruppenduell. Bitter, aber auch bezeichnend, dass Schröder der Korbleger von unten ans Brett in der Crunchtime passierte und er sich dann noch einen Schrittfehler leistete – weil er sich wieder entscheidend von Wembanyama stören ließ.

Rotation, Anpassungen und die fragwürdige Lo-Rolle


Auch Coach Herbert wirkte in diesem Spiel nach der langen Erfolgsserie mit seinen Coaching-Entscheidungen unglücklich. Als Frankreich zum Ende des zweiten Viertels aufdrehte und bis zur Halbzeitsirene ausglich (33:33), saß Franz Wagner etwas zu lange am Stück auf der Bank. Weil Heberts System mit klaren Prinzipien bisher so erfolgreich war, tut er sich mit schnellen Anpassungen nachvollziehbarerweise schwerer als andere Coaches.


Bei den offensichtlichen Problemen unter dem Korb gegen Yabusele und Lessort wäre eine Veränderung – situatives Doppeln zum Beispiel – aber nötig gewesen, um zumindest mal den Rhythmus zu stören, vor allem jenen von Yabusele. Mit Blick auf Frankreichs sehr schlechte Dreierquote (6/27) wäre es geboten gewesen, den Ring mit anderen Methoden besser zu schützen.



Spielte im Halbfinale keine einzige Minute: Maodo Lo.
IMAGO/camera4+


Gegen Spielende setzte der Kanadier auf eine für ihn untypisch kleine, sehr mobile Formation mit Schröder, Obst, Bonga, Franz Wagner und Theis. Die schaffte noch einen beachtlichen Schlussspurt, der Ausgleich war zwischenzeitlich noch möglich. Im Nachhinein ist man immer schlauer: Ein solches Line-up hätte dem Spiel wohl schon zu einem früheren Zeitpunkt gut getan.


Ebenso fragwürdig in einem Spiel, wo es auch an offensiver Kreativität mangelt: Maodo Lo, der mit selbst erarbeiteten Würfen gegnerische Verteidigungen aufbrechen kann und bei Olympia in Tokio noch deutscher Topscorer war, spielte, wie in den letzten beiden Partien, keine Sekunde. Ihn ohne Rhythmus in ein Halbfinale reinzuwerfen, wäre zugegebenermaßen auch ein Risiko gewesen. Aber Herbert hätte Lo, gerade im Gruppenspiel gegen Frankreich, durch Spielanteile auch mehr bei Stange halten können.

Fehlender X-Faktor


Ohne Lo gibt es einen Kandidaten weniger, der zum großen X-Faktor neben Franz Wagner und Schröder aufsteigen kann. Beim WM-Triumph war pro Spiel mindestens einer in den Vordergrund getreten. Energizer Moritz Wagner lenkte diesmal seinen Elan nicht in die richtigen Bahnen, agierte offensiv unglücklich, beging dazu erneut das eine oder andere unnötige Foul.


Johannes Thiemann trat, anders noch als gegen Griechenland (10 Punkte, 6 Rebounds), zu wenig in Erscheinung (3/3), bekam mit über elf Minuten aber auch nur die Hälfte der Spielzeit. Bei Weiler-Babb stimmte die Balance nicht, am ehesten kam mal wieder Bonga (7 Punkte, 3 Rebounds, 3 Assists) für die Rolle des X-Faktors in Frage. Aber seine Bilanz reichte diesmal nicht, um die hohe Zahl an Defiziten im deutschen Spiel auszugleichen.

Wiederauflage WM-Finale: Schnell aufraffen für das Medaillenziel


„Es ist kein Videospiel, wir können nicht immer perfekt spielen“, sagt Franz Wagner. Das stimmt natürlich. Besonders bitter aber ist: Das wäre für einen Sieg gegen diese Franzosen gar nicht nötig gewesen.


Jetzt muss das DBB-Team die große Enttäuschung schnell abschütteln, um schon am Samstag im Bronze-Spiel um 11 Uhr den herausragend guten Drei-Jahres-Zyklus unter Herbert verdientermaßen mit der angestrebten dritten Medaille zu beenden. Dafür muss die Mannschaft zu ihrem Spiel zurückfinden und bereit sein für den nächsten harten Fight: In der Wiederauflage des WM-Finales geht es gegen diesmal nominell besser besetzte Serben.

© – by kicker.de

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