BBL – Alba Berlin: Der schwere Spagat zwischen Liga und EuroLeague – NBA – Basketball


Es ist noch gar nicht so lange her, da lobte Vasilije Micic Alba Berlin in höchsten Tönen. Nachdem sich der Point Guard Mitte Oktober 2022 mit dem damaligen EuroLeague-Titelverteidiger Anadolu Efes Istanbul zu einem 78:74-Heimerfolg über den BBL-Club gemüht hatte, zollte Micic im TV-Interview Berlin Respekt: „Zunächst möchte ich betonen, dass ALBA für die EuroLeague etwas Großartiges ist: Sehr junge Spieler erhalten viel Vertrauen, womit sie einen Beitrag leisten“, sagte Micic. „In meinen Augen ist das hervorragend, dafür möchte ich dem Trainerstab und den Spielern beglückwünschen.“

Zwei Jahre später scheint es fraglich, ob Micic diese Worte so wiederholen oder zumindest das Wort „großartig“ mit Berlin in Verbindung setzen würde. Nicht nur, weil der serbische Nationalspieler mittlerweile in der NBA spielt, sondern auch, weil die Berliner danach und bis heute in der EuroLeague sportlich gestrauchelt sind. Drei Siege aus drei Partien hatten die Berliner vor jenem Duell 2022 gegen Efes geholt, in den restlichen 31 Begegnungen sollten aber nur noch acht weitere Erfolge hinzukommen, womit es nicht über den 16. Platz hinausging. Und die vergangenen Saison schlossen die Berliner mit einer Bilanz von 5-29 – der schwächsten in der EuroLeague seit 2020/21 (Khimki Moskau mit 4-30) – auf dem letzten Platz ab. Wohin führt der Weg Berlins in der EuroLeague?

Im Gespräch über Berlins EuroLeague-Aussichten und den Status Quo in der Königsklasse zieht Sportdirektor Himar Ojeda jene Worte von Micic heran. Ein solches Lob erhalte der Berliner Club häufiger, erklärt Ojeda, der den Wert eines Clubs über Siege und Niederlagen hinaus bemisst. Laut Ojeda stehe Berlin das niedrigste Budget aller EuroLeague-Clubs zur Verfügung, „was auch bedeutet, dass wir einige Saisons überperformt haben.“ Zalgiris Kaunas könnte den Berlinern hierbei noch Konkurrenz machen.

ALBA in der EuroLeague: Eine Frage der Lizenz

Mehr Geld in den Kassen stünde den Berliner zur Verfügung, wenn sie eine feste Lizenz erhalten hätten, was vom alten EuroLeague-Management um Jordi Bertomeu in Aussicht gestellt worden war. „Mit der Lizenz hätten wir 1,4 Millionen Euro mehr zur Verfügung. Dann hätten wir die Spieler, die uns verlassen haben, womöglich nicht verloren“, ordnet Ojeda ein. Doch in den vergangenen Jahren kam es an der EuroLeague-Spitze zu Veränderungen, unter dem neuen Präsidenten Dejan Bodiroga scheint die EuroLeague mehr denn je auf Expansion hinaus, womit sogar ein EuroLeague-Team in Dubai zur Diskussion steht. Eine feste Lizenz scheint für Berlin nun in weite Ferne gerückt.

Himar Ojeda ist Sportdirektor bei Alba Berlin.
Himar Ojeda ist Sportdirektor bei Alba Berlin. picture alliance / contrastphoto

Was das für ALBA bedeutet? Dass eine EuroLeague-Teilnahme mittelfristig nicht als gesichert angesehen werden dürfte. Nach einer zweijährigen Lizenz 2021 gab es zuletzt nur zwei einjährige Lizenzen, in jenen Jahren haben sich die Berliner sportlich nicht mit Ruhm bekleckert: Seit der Saison 2019/20 gehen die Albatrosse ununterbrochen in der europäischen Spitzenliga an den Start, in die Playoffs schafften es die Berliner dabei nie. Ingesamt liegt die Siegquote bei lediglich 31,0 Prozent, nur ASVEL Villeurbanne steht mit 30,4 Prozent etwas schlechter da – der französische Club von Tony Parker hat finanziell aber bessere Möglichkeiten zur Verfügung. Immerhin könnten im Jahr 2026 die Karten neu gemischt werden, wenn die derzeit 13 A-Lizenzen der EuroLeague-Anteilseigne auslaufen. Den deutschen Markt, so hört man immer wieder, betrachte die EuroLeague als wichtig.

Das finanzielle Wettrüsten mancher Clubs in der EuroLeague hält Ojeda derweil nicht für nachhaltig. Der Sportdirektor zieht hierbei auch einen Vergleich zu Virtus Bologna heran. Bei den Italienern lief zuletzt sowohl ein Männer- als auch ein Frauen-Team in der EuroLeague auf, die weibliche Mannschaft zog Bologna aber komplett zurück – um aus finanziellen Gründen das Männer-Team zu stärken. „Das ist traurig“, findet Ojeda. „Wir könnten das Frauen-Team auch streichen, was uns Geld kostet, dann hätten wir vielleicht zwei oder sogar drei Spieler mehr für das Männer-Team. Aber das wollen wir nicht, im Gegenteil – wir wollen das Umfeld des Frauen-Basketballs verändern.“

Berlins Offseason: Zwei neue Kreativspieler

Im Hier und Jetzt bedeutet dies, dass in der diesjährigen Offseason zwei Zu- zwei Abgängen (mit Kresimir Nikic noch ein dritter, doch der war in seinen sechs Jahren selten konstant Bestandteil der Rotation) gegenüberstehen: Sterling Brown schulterte mit seinen Qualitäten im Eins-gegen-Eins die Berliner in den BBL-Finals immer wieder, brach aus dem Berliner System aber ebenso aus. Schwerwiegender ist da der Abgang von Johannes Thiemann. Nicht nur auf Grund seines deutschen Passes, der Big Man durchlief eine Transformation, die man von einem deutschen Spieler dieser Qualität zuletzt nur selten in der BBL gesehen hat: vom Hustler in Ludwigsburg zum Finesse-Spieler in Berlin, der mit seiner Versiertheit auch auf EuroLeague-Niveau bestanden hat und als Kapitän eine Identifikationsfigur gewesen ist.

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Trevion Williams ist einer von zwei Neuen bei Alba Berlin. IMAGO/mix1

Ojeda hatte sich auch um zwei deutsche Big Men bemüht, um den Abgang Thiemanns zu kompensieren, vermutlich dürften dies Johannes Voigtmann und Tibor Pleiß gewesen sein, doch finanziell konnte man in Berlin nicht mit München und dem italienischen Aufsteiger aus Trapani mithalten. So ist es mit Trevion Williams vorerst bei einem Zugang auf Groß geblieben – der nun wahrscheinlich doch mehr auf der Fünf auflaufen dürfte als auf der Vier, wo er mit seiner Kreativität und Passfertigkeiten aber ganz gut in die Fußstapfen von Luke Sikma treten könnte. Williams kann zwar den Dreier, kommt in seiner Karriere aber nicht an die Marke von 30 Prozent heran. Für Spacing sorgt das Center-Trio um Williams, Yanni Wetzell und Khalifa Koumadje also nicht.

Ein Schlüssel für das Spacing könnte mit William McDowell-White der zweite Berliner Neuzugang sein, wenn er es schafft, mit seinem Zug zum Korb das „Drive and Kick“-Spiel Berlins zu beleben. Und dennoch mag man bei seiner – vor allem recht frühen – Verpflichtung etwas mit der Stirn gerunzelt haben: Denn nach den Matteo Spagnolo, Ziga Samar und Routinier Martin Hermannsson ist McDowell-White der vierte Ballhandler im Berliner Kader.

In gewisser Hinsicht mag Verstärkung im Backcourt jedoch auch nötig gewesen sein: Samar hat auf Grund von Achillessehnenproblemen den Start in die Saisonvorbereitung verpasst, der Slowene hatte wie der Italiener Matteo Spagnolo in der vergangenen Saison bei mehr als der Hälfte aller BBL-Spiele aussetzen müssen. Beide Aufbauspieler sind auf dem EuroLeague-Parkett immer noch recht unerfahren. Mit Hermannsson kann ein Ballhandler auch auf der Zwei agieren, eine Führungsrolle wird der Isländer auch dort übernehmen müssen, denn McDowell-White wird ein EuroLeague-Rookie sein und somit sicherlich auch Anlaufzeit benötigen. Zeit, die die Berliner haben?

Alba Berlin: Die deutsche Rotation hat gelitten

In dieser Offseason kam also kein weiterer deutscher Spieler nach Berlin. In der Anfangszeit der Aito-Ära war die deutsche Rotation gerade im Vergleich mit der Konkurrenz aus München eine große Stärke, was sich in der BBL und der 6+6-Regel als einer der Erfolgsschlüssel herausgestellt hat. Doch seit einem Jahr schlägt die Waage anders aus.

Als Vasilije Micic die Berliner in höchsten Tönen lobte, standen der damals 22-jährige Jonas Mattisseck und der 21-jährige Malte Delow als Rotationsspieler auf dem Parkett. Doch seitdem kam aus den eigenen Reihen kein eigenes Talent nach, das den dauerhaften Sprung in den Profikader geschafft hat. Ja, dort ist Elias Rapieque, auf der anderen Seite sind dort aber auch Abgänge teils noch talentierterer Akteure wie Christoph Tilly, Mathieu Grujicic, Jack Kayil, Nils Machowski, Rikus Schulte oder Linus Ruf zu verzeichnen – und das allein in den vergangenen zwei Jahren.

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Berlins Louis Olinde mit Ball.
Macht Louis Olinde noch einmal einen Sprung in seiner Entwicklung? picture alliance / Kirchner-Media

Wieviel Upside haben also die Spieler der aktuellen deutschen Rotation noch, unabhängig von ihrer Qualität als einheimische Rotationsspieler in der BBL, sondern vielmehr auf EuroLeague-Niveau? Allen voran bei Louis Olinde hofft man sicherlich noch auf einen weiteren Sprung in Form eines ausgereifteren Offensivspiels, doch kommt der beim inzwischen schon 26-jährigen Forward noch? Gerade deshalb wäre mehr Qualität bei den Zugängen wichtig gewesen, um die vergangene EuroLeague-Saison vergessen zu machen.

Zumal der Kader mit der Quantität im Backcourt und Fragezeichen hinsichtlich der Hierarchie auf der Aufbauposition derzeit nicht gerade ausbalanciert wirkt. Wird Olinde vermehrt auf der Vier agieren, wird es Drei-Guard-Lineups geben, wenn es bei der aktuellen Center-Rotation bleibt? Doch gerade die EuroLeague ist eine Liga mit Größe. Ein freieres Spiel könnte Berlin auf der anderen Seite wieder gut tun, zuletzt wirkte die Offensive im Halbfeld statischer als man das in den vergangenen Jahren gewohnt war.

Die Alba-DNA wurde etwas angepasst

Für Berlin spricht derweil dennoch die Kontinuität im Kader, und bei weniger Verletzungspech ist gerade bei den talentierten Akteuren wie Samar und Spagnolo sowie Flügelspieler Gabriele Procida noch jede Menge Raum zur Verbesserung. Dass die Berliner nicht nur einheimische Talente aus dem eigenen Nachwuchs, sondern auch Prospects aus dem Ausland an die EuroLeague heranführen, mag die Fortsetzung der ALBA-DNA sein.

„Wir haben in den vergangenen fünf Jahren etwa zehn bis 15 Spieler in die EuroLeague gebracht. Man kann mehr Dinge beitragen als nur Siege und Niederlagen“, sagt Ojeda hierzu. Mit Williams und McDowell-White werden zwei weitere hinzukommen, die sich in einem zweiten Schritt dann aber auch wieder für die Konkurrenz empfehlen könnten.

Ojeda hat in der vergangenen Saison einen Rebuild ausgemacht, in dessen zweiten Jahr man sich nun befinde. Wie lange dieser Rebuild anhält bzw. wann man von einem fertiggebauten Konstrukt sprechen kann, bleibt abzuwarten. Allein durch die natürliche Entwicklung einzelner Spieler mag Berlin sich im Vergleich zur vergangenen Saison verbessern können, doch ob das hinsichtlich der Verstärkung der Konkurrenz reicht, um die unteren Tabellenregionen zu verlassen, bleibt fraglich. Dass der Berliner Club seine Identität aber beibehält, selbst dann, wenn es von der EuroLeague in den EuroCup gehen sollte, mag dennoch etwas Positives sein. Vielleicht würde das auch Vasilije Micic so sehen.

© – by kicker.de

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