DBB-Co-Trainer Perwas: Franz Wagner ist schon jetzt Weltklasse – NBA – Basketball


Ballhandler

Dennis Schröder (Brooklyn Nets)

Die Kombination aus FIBA+Spieler ist eigentlich für „FIBA-Melo“ reserviert, Carmelo Anthony stach bei FIBA-Turnieren regelmäßig derart heraus, als wäre er der weltbeste Scorer. Doch auch die Bezeichnung „FIBA-Dennis“ hat ihre Berechtigung, schließlich dominiert Schröder regelmäßig auf FIBA-Niveau. Bei fünf großen Turnieren hat der Point Guard immer über 19,0 Punkte und 5,5 Assists aufgelegt, in insgesamt 34 Partien bei Europa- und Weltmeisterschaften sind es durchschnittlich 20,6 Zähler und 6,8 Assists. Seine Offense ist über jeden Zweifel erhaben.

Was beim amtierenden WM-MVP unterschätzt wird? „Seine Defense. Im WM-Finale gegen Serbien hat er Bogdan Bogdanovic in der zweiten Hälfte an die Kette gelegt“, führt DBB-Assistant Coach Klaus Perwas im Gespräch mit basketball-world.news ein Beispiel an. Offensiv Verantwortung zu schultern, dort effizient aufzutreten und gleichzeitig als „Point of Attack“-Verteidiger herzuhalten oder einen Flügelspieler wie Bogdanovic um Blöcke zu jagen, spricht für die Fitness des DBB-Kapitäns, ein weiterer, selten beachteter Aspekt. Laut Perwas werde auch „sein Drei-Punkte-Wurf unterschätzt, den er enorm verbessert hat.“ Verteidiger werden im Pick-and-Roll aber weiter unter die Blöcke gehen, lieber den Distanzwurf als den Drive in Kauf nehmen, in der Vorbereitung traf Schröder aus dem Pick-and-Roll nur zwei seiner 13 Dreier (im Catch-and-Shoot aber immerhin 5/11 3P).

Maodo Lo (Olimpia Milano)

Bei Gordon Herberts Rollenverteilung und Metapher der Rennpferde und Schweine dürfte hinter Schröder und Franz Wagner eigentlich auch Maodo Lo die Rolle des Rennpferdes einnehmen. Sein Flow, seine Leichtfüßigkeit haben nichts von einem Schwein, also einem Spieler, der die Drecksarbeit erledigt. Oder wie Perwas es formuliert: „Er ist vielleicht der Spieler bei uns, der sich am besten den eigenen Wurf kreieren kann. Ich habe EuroLeague-Spiele von ihm gesehen, in denen er Mannschaften zerlegt hat. Maodo ist ein X-Faktor.“

Lo kommt zwar von der Bank und ist Schröders Backup, beide teilen sich aber auch das Parkett, womit Schröder abseits des Balles agieren kann. Defensiv mag ein solcher Backcourt angreifbar sein, weil Lo gegen größere Gegenspieler physisch unterlegen ist. Apropos Physis: Lo hat aus dem deutschen Olympia-Kader eine der schwierigsten Vereinssaisons absolviert, da der Mailänder Guard auf Grund von muskulären Problemen häufig zurückgeworfen wurde und keinen Rhythmus aufbauen konnte. In der Olympia-Vorbereitung ist davon aber nichts mehr zu sehen.

Wings

Andreas Obst (FC Bayern München)

Andreas Obst ist einer von wenigen deutschen Nationalspielern, die einen ikonischen Moment für sich beanspruchen können: Sein Dreier im WM-Halbfinale gegen die USA, als ihm Tyrese Haliburton zu Füßen lag, geht in die Annalen der DBB-Geschichte ein. Coming-Out? Nicht ganz, denn Obst gibt schon länger den Edelschützen, bei der EM 2022 (25/52 3P, 48,1%) und den Olympischen Spielen 2021 (14/35 3P, 40 %) war er bereits der gefährlichste deutsche Dreierschütze. Wie heiß er laufen kann, bewies Obst auch in der Vorbereitung gegen die Niederlande (6/7 3P in der ersten Hälfte), Japan (4/5 3P in der ersten Hälfte) und teilweise gegen die USA.

Andreas Obst (Deutschland, 42) wirft, Dreier, Dreipunktelinie

USA Basketball Showcase: USA - Deutschland; The O2 Arena, London am 22.07.2024
Andreas Obst befindet sich in blendender Verfassung. picture alliance / BEAUTIFUL SPORTS

Gegen Frankreich kam er derweil kaum zum Abschluss. „Gegner wissen natürlich um seine Stärken, dass er nicht viel Platz braucht, um seinen Wurf los zu werden“, erklärt Perwas. Obst strahlt eine besondere „Gravity“ aus – er zieht die gegnerische Verteidigung durch seine Wurfstärke auf sich und schafft so Platz für seine Mitspieler. „Selbst in der EuroLeague ist er gefürchtet, er ist einer der besten Werfer, die es europa- oder sogar weltweit gibt“, sagt Perwas und fügt an: „Es wird wichtig für uns, Andi zu finden, sobald er frei ist.“ Obst mag als Shooting Guard zwar kein sekundärer Playmaker sein, den Pocket-Pass auf seine Blocksteller hat er dennoch im Repertoire.

Franz Wagner (Orlando Magic)

Nun hat Basketball in Deutschland nicht die Relevanz des Fußballs, und nun ist Franz Wagner in einem Team mit Dennis Schröder (noch) die 1b-Option. Man kann also nicht vom „Handgelenk der Nation“ schreiben, wenn man über seinen Sprungwurf spricht, aber ein wenig Sorgen bereitet der Jumper schon. Wagners Wurfmechanik sieht anders aus als bei den vorherigen Turnieren, auf seine Dreierquote von 28,0 Prozent in der NBA ließ er in der Olympia-Vorbereitung 29,4 Prozent folgen, aus dem Catch-and-Shoot waren es dabei nur 18,2 Prozent. Dass ihn dieser Shooting-Slump beschäftigt, mag man aus seinen Emotionen im Spiel gegen Japan herauslesen, als der Knoten um das Handgelenk platzte.

Nun ist das Meckern auf hohem Niveau, und Wagner ist nicht auf das Catch-and-Shoot beschränkt, sondern kann sich mit einem Step-back selbst den Wurf kreieren. „Er hat sich zu einem Weltklasse-Basketballer entwickelt, offensiv wie defensiv. Er ist unglaublich stark in der Bewegung zum Korb“, findet Perwas, der die Kritik an Wagners Wurf nicht nachvollziehen kann. Im Drive operiert Wagner gerne mit einem Eurostep samt Trippelschritten, seinem Signature-Move, in der Zone hat er ganz verschiedene Abschlussmöglichkeiten parat und trifft hochprozentig. Womit es auch nur eine Frage der Zeit ist, wann Wagner als 2,08 Meter großer sekundärer Playmaker von Schröder die Rolle der 1a-Option übernimmt – was er phasenweise bereits tut.

Nick Weiler-Babb (FC Bayern München)

Hatte Nick Weiler-Babb die WM 2023 verletzungsbedingt verpasst, ist der EM-Bronzemedaillengewinner von 2022 zurück, macht aus der Neuner- eine Zehner-Rotation und bringt dem Backcourt statt eines Spezialisten ein Schweizer Taschenmesser. „Er kann mit und ohne Ball spielen, als Playmaker fungieren, aber auch die Flügelpositon besetzen. Er kann von der Eins bis zur Vier verteidigen, auch im Low-Post, er ist athletisch – er ist einer unserer komplettesten Spieler“, erklärt Perwas. Demnach kann Weiler-Babb Schröder und Lo (defensiv) entlasten und Drei-Guard-Lineups ermöglichen.

Bei der EM 2022 hatte Weiler-Babb offensiv noch wenig Akzente gesetzt, das könnte sich nun aber ändern. In den BBL-Finals avancierte er zum stabilsten Münchener Spielmacher und hatte großen Anteil an der Meisterschaft. Der 28-Jährige ist aber keiner, der offensiv forciert, „manchmal ist er etwas passiv und man muss ihn zu seinem offensiven Glück zwingen“, sagt auch Perwas, der im Guard aber einen „Clutch-Shooter“ sieht, der am Ende der Wurfuhr überzeugt.

Isaac Bonga (zuletzt FC Bayern München)

Wenn man im deutschen Basketball nach einem „Einhorn“, nach einem einzigartigen und besonders vielseitigen Spieler sucht, wird man wahrscheinlich bei Isaac Bonga fündig, so ein vielseitiges Profil hat der 2,04 Meter große Flügelspieler. „Defensiv kann er von der Eins bis zur Fünf alle Positionen spielen. Er ist ein ganz großer Bestandteil unserer Defensive und soll den besten Spieler der anderen Mannschaft verteidigen“, sagt Perwas, der den Block in der Crunchtime des WM-Halbfinales gegen die USA heranzieht. Für Perwas ist Bonga offensiv ein guter Playmaker, der aus unterschiedlichen Situationen seine Mitspieler in Szene setzt, beispielsweise aus dem Low-Post oder aus Ball-Screen-Situationen.

Dennoch mag Bongas Spiel nicht ganz ausgereift sein. Als Slasher kann man den Flügelspieler nicht bezeichnen, gegen Druck tut er sich schwer. Den Dreier hat Bonga hingegen zuletzt stark verbessert (42,9% 3P bei der WM 2023, 44,2% 3P in der BBL 2023/24), vor allem aus den Ecken, konnte das in der Vorbereitung aber nicht bestätigen (0/8 3P im Catch-and-Shoot). Aber: Der 24-Jährige verleiht dem deutschen Team die größte Lineup-Flexibilität.

Niels Giffey (FC Bayern München)

Niels Giffey (Deutschland, #05),

GBR, USA vs. Germany, Basketball, Testspiel, Olympiavorbereitung, Spielzeit 2024/2025, 22.07.2024

Foto: Eibner-Pressefoto/Sascha Walther
Niels Giffey dürfte nur in Notsituationen zum Einsatz kommen. picture alliance / Eibner-Pressefoto

Niels Giffey dürfte im Olympia-Kader an das Ende der Rotation rutschen, nachdem er bei der WM der zehnte Mann war, doch für diese Rolle könnte man kaum einen besseren Spieler finden als den 33-jährigen Forward. Giffey benötigt kaum Anlaufzeit, um nach einer Einwechslung das Spiel positiv zu beeinflussen. „Er hat die Erfahrung, das Selbstbewusstsein und die Toughnesss“, fasst Perwas zusammen. „Er weiß genau, wann er passen und werfen muss, wie er verteidigt und wann er ein Foul macht – das ist ,Winning-Basketball.‘ Das sieht man auch an seiner Vita.“ Giffey hat Titel auf allen Ebenen gewonnen (von NBBL über NCAA und BBL zur Nationalmannschaft), um einem Team das zu geben, was es gerade braucht.

Defensiv mag Giffey auf der Drei nicht der schnellste sein, auf der Vier nicht mit der Physis mancher nomineller Power Forwards mithalten, offensiv macht die Rolle auf der Vier dennoch Sinn: Denn die Rolle des Stretch-Vierers fällt unter den deutschen Bigs eindeutig am besten Giffey zu.

Bigs

Johannes Voigtmann (zuletzt Olimpia Milano)

Die Olympischen Spiele sind der Ort, wo Profis auch zu Fans werden, wo diese anderen Spitzenathleten in deren Sportarten beobachten. Vielleicht wäre Johannes Voigtmann der DBB-Spieler, der am ehesten in einer anderen Sportart funktionieren würde. „Überall dort, wo du Spielintelligenz braucht, wäre er wahrscheinlich gut aufgehoben“, findet Perwas.

DBB Bei Olympia

Eine Sportart wäre zweifellos der Handball, was Voigtmann früher betrieben hat. Womit der Center auch gerne gegen eine Zonenverteidigung spielt, was nicht viele andere Basketballer von sich behaupten dürften. „Gegen eine Zone hast du Platz, den braucht er auch. Er fühlt sich außen wohler als unter dem Korb“, ergänzt Perwas. Am Flügel bewegt der Center schnell den Ball, in der Zone hält er die Offensive mit Touch-Pässen am Laufen. Und dann schlüpft der 31-Jährige auch in die Rolle des Quarterbacks, wenn er nach einem getroffenen Freiwurf des Gegners den Ball über das ganze Feld nach vorne wirft, so geschehen auch zweimal in der Vorbereitung. Schade, dass American Football nicht olympisch ist…

Daniel Theis (New Orleans Pelicans)

Der erste Spielzug des DBB-Teams aus einem Iverson-Set läuft häufig über Dennis Schröder und Daniel Theis. Weniger, weil die beiden Braunschweiger Buddys, sondern weil sie so ein starkes Duo im Pick-and-Roll sind. Theis als Abroller ist der wohl stärkste Lob-Threat des deutschen Teams. Und defensiv gibt er mit seiner Drop-Defense und als Ringbeschützer den Anker der DBB-Verteidigung.

Wo ist Theis nun wertvoller für das deutsche Team, offensiv oder defensiv? „Ich glaube, dass er defensiv für uns eine größere Rolle hat, aber offensiv vielleicht eine unterschätzte Rolle“, antwortet Perwas. „Dadurch, dass er Druck auf den Ring ausübt, diese vertikalen Fähigkeiten besitzt, öffnet er das Feld für seine Mitspieler. Bei einem Alley-Oop geht es weniger um Highlights, sondern um ein effektives Play, das schwer zu verteidigen ist. Er hat in diesem Zusammenhang auch große Stärken im Short Roll. Dort kann er wie ein Playmaker fungieren und seine Mitspieler in Szene setzen oder selbst punkten.“ Hinter die Dreierlinie poppt Theis eher selten, denn aus der Big-Men-Riege ist er der schwächste Distanzwerfer.

Johannes Thiemann (Gunma Crane Thunders)

Von seinem Länderspieldebüt 2016 bis hin in die Gegenwart hat Johannes Thiemann vom aktuellen Kader die vielleicht stärkste Transformation durchgemacht. In seinen Ludwigsburger Jahren vor allem als Hustler bekannt, der Basketball eher kämpft, ist Thiemann in seinen Berliner Jahren viel versierter geworden: Am Zonenrand operiert der Big Man mit starker Fußarbeit und Kontrolle, am High-Post sieht man Thiemann schon mal Luke Sikma-ähnliche Highlight-Bodenpässe spielen. Im DBB-Dress ist Thiemann nun aber vor allem wieder als Arbeiter gefragt.

„JT hat eine Präsenz. Er hat zu seinem Spiel gefunden und kennt die Spots, an denen er sich wohlfühlt. Mit Shot-Fakes, Dreiern und Low-Post-Bewegungen hat er sich einen Werkzeugkasten angeschafft, mit dem er super effektiv ist“, beschreibt Perwas den Big Man. „Gepaart mit seiner mentalen Stärke ist er zu einem kompletten Spieler auf EuroLeague-Niveau gereift.“ Doch inwieweit wird Thiemann das zeigen können? Auf Grund einer Knieverletzung aus den BBL-Finals absolvierte der 30-Jährige erst gegen Japan sein erstes Vorbereitungsspiel.

Moritz Wagner (Orlando Magic)

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Moritz Wagner ist der Energizer im deutschen Team. IMAGO/camera4+

„Er ist ein Energizer, der mit viel Enthusiasmus spielt und in der Lage ist, das gesamte Team mitzureißen. Sobald er eingewechselt wird, kann er ein Spiel sofort beeinflussen und der Mannschaft einen Push geben“, beschreibt Perwas die Rolle von Moritz Wagner. „Er strahlt zudem immer eine unglaubliche Spielfreude aus, ist individuell sehr stark und kann Fouls ziehen.“ Der Big Man der Orlando Magic hat die Waffen, um vor allem mit dem Gesicht zum Korb ein Mismatch-Albtraum zu sein, mit gutem Ballhandling kann Wagner den Korb attackieren. Mitunter kann der 27-Jährige aber auch zu viel forcieren.

Dass es in einem Team mit Dennis Schröder als Anführer einen weiteren Spieler mit dieser „Competitiveness“ gibt, ist derweil ein weiterer Pluspunkt. Und auch in der Kabine sorgt Wagner für gute Stimmung. Aspekte, die nicht in einem Boxscore auftauchen, womit Wagner selbst in Gordon Herberts Buch auch passend erklärt, für die sogenannten „Intangibles“ zuständig zu sein.

Oscar da Silva (FC Bayern München)

Sollte Johannes Thiemann nicht bei 100 Prozent sein und sich mit weniger Minuten begnügen müssen, stünde mit Oscar da Silva ein fünfter Big zur Verfügung, einer mehr als bei der Weltmeisterschaft. Welche Rolle da Silva einnehmen muss? „Seine Hauptaufgabe wird bei der Rebound-Arbeit und der Defensive liegen. Zusätzlich muss er versuchen, seine offensiven Qualitäten einzubringen und seine Mobilität auszuspielen“, antwortet Perwas. „Oscar hat einen unglaublichen guten Instinkt für das Spiel.“

Den konnte er in den vergangenen zwei Jahren in Barcelona zumindest offensiv selten zeigen, wo er eine kleine Rolle einnahm und sich unterordnen musste – vielleicht hilft das ja auch jetzt bei Olympia. Wie versiert der 25-Jährige eigentlich ist, bewies da Silva bereits in diesem Jahr, als er in zwei EM-Qualifikationsspielen überzeugte. Beim Attackieren von Closeouts ist er der vielleicht agilste deutsche Big Man.

© – by kicker.de

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