Die Kunst des Selbstbetrugs – kicker – Fussball



England steht ungeschlagen und als Gruppensieger im Achtelfinale. Das mutet nach drei Leistungen nah an der Schmerzgrenze an wie ein schlechter Witz und ist eher einer extrem schwachen Gruppe geschuldet.


Hatte trotz erneut schwacher Leistung seines Teams einen Schritt nach vorne gesehen: England-Coach Gareth Southgate.

picture-alliance / Matthias Koch


Wer nach dem dürftigen 1:0 gegen Serbien und dem noch schlechteren 1:1 gegen Dänemark geglaubt hatte, der Tiefpunkt sei erreicht, sah sich beim 0:0 gegen Slowenien eines Besseren belehrt: Schlimmer geht’s immer. Denn diesmal erzielten die Three Lions nicht mal ein Tor.


Man würde es ja kaum glauben, wenn man es nicht mit eigenen Augen sieht. Und doch lässt einen das, was man da betrachten darf, ein wenig am eigenen Verstand zweifeln. Sind das wirklich neun Premier-League-Profis plus zwei Superstars von Real und Bayern? Oder sind das alles Zwillinge, die da von Trainer Gareth Southgate auf den Platz geschickt werden, die noch nicht so lange Fußball spielen?

Erneut kein Tempo, keine Ideen, keine Tiefe im Spiel


Die fachlichen Analysen wiederholen sich indes: kein Tempo, keine Ideen, vor allem keine Tiefe im Spiel, ein Schritt vor, mindestens einen zurück. Stockfehler und Fehlpässe häuften sich auf bizarre Weise. Natürlich wolkenkratzerhoch überlegen gegen tapfere, aber total limitierte Slowenen, aber das war wohl das Mindeste. Es sprangen drei magere Chancen dabei heraus, was die BBC dazu veranlasste, bei ihrem Videoclip auf der Homepage das Wort „Highlights“ mit Anführungsstrichen zu versehen.

Gruppenphase – 3. Spieltag


„Wir waren schon besser mit Ball als beim letzten Mal“, meinte Jordan Pickford von hinten erkannt zu haben, der Keeper freute sich, sein Ziel erreicht zu haben, er hatte kein Gegentor kassiert.

Neville: „Ein Krampf, da zuzuschauen“


„Sich selbst etwas in die Tasche lügen“, sagt der Volksmund dazu, und diese Taschen müssen bei den Engländern verdammt groß sein. Erst war es „nur der Auftaktsieg“, der zählte, dann, dass „wir ungeschlagen sind“ und jetzt die Feststellung, dass wir „Gruppensieger sind“. Das sind natürlich drei unumstößliche Fakten, absolut keine Lügen, aber die Selbstzufriedenheit, die da mitklingt, ist der fatale Selbstbetrug, der keinen aus seiner Lethargie weckt und am Sonntag in Gelsenkirchen gegen wen auch immer zum bösen Erwachen führen kann. Denn da ist keiner, der auf den Tisch haut, keiner der aufrüttelt und sagt, dass England Glück hatte, in dieser schwachen Gruppe zu spielen. TV-Experte Gary Neville war schon deutlicher: „Es war ein Krampf, da zuzuschauen.“




Nun warten die Engländer auf ihren Gegner, einen der besten Gruppendritten. Wer immer es wird – vor den Three Lions muss er nicht zittern. Von Löwen waren sie längst zu Schmusekatern mutiert. Nun haben sie die nächste Stufe erreicht: Stofftier-Katzen. Immerhin kamen die zuvor verschmähten Cole Palmer und Anthony Gordon zu ihren ersten Minuten und deuteten an, dass sie nicht gewillt waren, in denselben Trott zu verfallen, wie ihre Kollegen. „Die Einwechselspieler haben ihre Wirkung gezeigt“, stellte Southgate korrekt fest.

Southgate sieht „Schritt nach vorne“


Er hatte jedoch vor dem Spiel gesagt, gegen Slowenien gehe es erst mal ums gute Verteidigen. Wen wundert es dann, was man da serviert bekommt, wenn die falsche Richtung vorgegeben wird?


Hinterher meinte der Nationaltrainer, der im Verhältnis zu seinem Kaderpotenzial die schlechteste Leistung hinlegt bei diesem Turnier: „Ich bin stolz auf die Spieler. Wir haben das Spiel dominiert, wir werden besser. Wir haben eine Vielzahl an Chancen gehabt. Es war ein Schritt nach vorne.“


Das Traurige ist, dass er das ernst gemeint hat.

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