NBA – Dirk Nowitzki vor Aufnahme in die Hall of Fame: Ein geerdeter Überflieger – NBA – Basketball



Als Basketballer war Dirk Nowitzki (45) ein Superstar – ein Status, der ihm abseits des Courts nie geheuer war. Am Samstag wird er in die Hall of Fame aufgenommen.


Seinen 45. Geburtstag im Juni dieses Jahres nutzte er einmal mehr dazu, „auf die Lage der Kinder weltweit aufmerksam zu machen. So vielen von ihnen fehlen Dinge, die für die meisten selbstverständlich sind: sauberes Wasser, genügend zu Essen, eine Schule, in der man etwas lernt“, sagte Dirk Nowitzki. Der gebürtige Würzburger ist ein Phänomen. Einer, der nie eines sein wollte und gerade deshalb so phänomenal und faszinierend ist.


Am liebsten wäre Nowitzki ein normaler dreifacher Familienvater, der ungestört sein Leben genießen kann. Einerseits. Andererseits will er seine spektakuläre Laufbahn im Trikot der Dallas Mavericks und der deutschen Nationalmannschaft natürlich nicht missen. Nicht, weil sie ihm Beliebtheit, Aufmerksamkeit und Reichtum als global umjubelter Superstar beschert hat. Sondern weil er in 21 Jahren als Profi machen durfte, was er liebte: sich mit den besten Basketballern des Planeten messen.


Ruhm und Rampenlicht waren Nebeneffekte, die nicht zu seinem Antrieb gehörten, ihm nicht immer geheuer waren. Er suhlte sich nicht im großen Interesse an seiner Person, ging aber professionell und souverän, mit den Jahren zunehmend locker und humorvoll mit öffentlichen Nachfragen und Auftritten um. Nowitzki ist bei sich geblieben, geerdet, bescheiden, ungezwungen und nutzt seine Reichweite seit Jahren auch für wichtige und vorbildliche Projekte und Aktionen. Wie seinen Einsatz für Kinderrechte, dem er seit zehn Jahren auch als UNICEF-Botschafter nachgeht. Oder als er kürzlich bei den Special Olympics in Berlin Sportlerinnen und Sportler mit geistiger Beeinträchtigung unterstützte.


Unter anderem deshalb ist Dirk Nowitzki auch den Menschen ein Begriff, die mit der Sportwelt im Allgemeinen und mit Basketball im Speziellen gar nichts anfangen können. Ende 2019 ehrte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den 2,13-Meter-Mann mit dem Bundesverdienstkreuz für sein umfangreiches soziales Engagement, dem er sich vor allem mit seinen Stiftungen verschrieben hat.

Nowitzki: Die Revolution und der „Flamingo-Wurf“


Am kommenden Samstag aber stehen dann doch noch einmal der Ausnahme-Athlet Nowitzki und sein sportliches Vermächtnis im Fokus: Er wird in die Hall of Fame des Basketballs aufgenommen. Zum frühestmöglichen Zeitpunkt, im vierten Jahr nach seinem Karriereende. Zweifel, dass er seinen Platz in der bekannten Ruhmeshalle der NBA, benannt nach Basketballerfinder James Naismith, bekommen wird, gab es schon lange keine mehr. Zu markant und bedeutend sind die Spuren, die das „German Wunderkind“ in der besten Liga der Welt hinterlassen hat.


Der 1998 im Draft, der US-Talentbörse, ausgewählte Nowitzki hat seine Sportart nachhaltig verändert. Talentierten Werfern unter den körperlich längsten Spielern ebnete er den Weg zu einem variableren Spiel. Früher waren sie zum Infight unter den Körben verdammt, heutzutage weiten sie wie selbstverständlich das Feld, nehmen und treffen Distanzwürfe.


Nowitzki hat durch die einzigartige, auch auf physikalischen Berechnungen basierende Detailarbeit mit seinem Mentor und Individualcoach, dem früheren Basketball-Nationalmannschaftskapitän Holger Geschwindner, nebenbei auch seinen eigenen, für Verteidiger fast unblockbaren Wurf erschaffen: den einbeinigen „Flamingo-Wurf“ nach einer Drehung im Rückwärtsfallen mit hoher Flugkurve – seitdem vielfach erfolgreich kopiert. Und Nowitzki krönte 2011 seine Karriere, als er die als Underdog eingeschätzten Dallas Mavericks als herausragender Leader fast im Alleingang zur NBA-Meisterschaft führte – dem bisher einzigen Titel der Texaner.

Dirk Nowitzki


2011 endlich am Ziel seiner Träume angekommen: Dirk Nowitzki mit der Championship-Trophäe. 
imago images/ZUMA Wire

Eigene Liga unter den Legenden


Das war Höhepunkt und Erlösung zugleich, da Nowitzki zu diesem Zeitpunkt als außergewöhnlicher Einzelkönner bereits hoch angesehen war, unter anderem dokumentiert durch die Auszeichnung als MVP (Wertvollster Spieler) der regulären Saison 2007. Nach der knappen Final-Niederlage 2006 gegen die Miami Heat haftete jedoch immer noch der Makel der Titellosigkeit an ihm. Dank der geglückten Revanche fünf Jahre später gegen das favorisierte Miami-Ensemble um die Superstars LeBron James und Dwyane Wade war Nowitzki – natürlich als Finals-MVP – endgültig in die Phalanx der Legenden vorgestoßen.


Wo genau er sich dort einreiht, bleibt dem subjektiven Empfinden überlassen. Auch wenn er selbst unter Legenden gewissermaßen in einer eigenen Liga spielt. Es gibt kein böses Wort, keine Kritik, keine Polarisierung, nur ungeteilte Wertschätzung und außergewöhnlichen Respekt für Nowitzki von den Besten, die diesen Sport bisher ausgeübt haben. Allein zu seinem Abschied im April 2019 überboten sich fünf Posterhelden seiner Kindheit und Jugend – Charles Barkley, Scottie Pippen, Larry Bird, Shawn Kemp und Detlef Schrempf – mit Superlativen und Ehrerbietungen auf dem Parkett. Der gegnerische, hochdekorierte Coach Doc Rivers hatte Wochen zuvor eigens ein Pflichtspiel unterbrochen, um das Publikum der Los Angeles Clippers zum Applaus für einen „der Größten aller Zeiten“ aufzufordern.


Mit Blick auf die Rangliste der besten NBA-Punktesammler wird Nowitzkis Ausnahmestellung auch unverhandelbar deutlich. Aktuell haben nur LeBron James, Kareem Abdul-Jabbar, Karl Malone, Kobe Bryant und Michael Jordan mehr Punkte erzielt. Der nächste Europäer, der Spanier Pau Gasol, folgt mit weitem Abstand (20 894 Punkte) auf Rang 42.


Während der nimmermüde James, ein anderes, schier unglaubliches Basketball-Phänomen, als noch Aktiver seine Führungsposition weiter ausbauen kann, sind die vier anderen längst in der Hall of Fame verewigt. Als Letzter des Spitzenquartetts wurde 2020 Bryant posthum aufgenommen, wenige Monate nach seinem tragischen Unfalltod. Nun ist Nowitzki an der Reihe. Zusammen mit Gasol, dem 2011er Final-Widersacher Wade, dem Franzosen Tony Parker und Trainerlegende Gregg Popovich, die allesamt Nowitzkis Ära in der NBA mitgeprägt haben, sowie Becky Hammon, die der Women’s NBA über Jahre ihren Stempel aufdrückte, wird der frühere Power Forward feierlich eingeführt – als erster Deutscher.

Aus miefigen Würzburger Turnhallen in die NBA


Als Laudatoren hat er sich die 2018er Hall-of-Famer und früheren Aufbauspieler Steve Nash und Jason Kidd ausgesucht. Mit Nash verbindet Nowitzki nach wie vor eine enge Freundschaft, seit er die ersten sechs Karrierejahre mit dem Kanadier in Dallas zusammenspielte. An der Seite von Kidd, dem aktuellen Cheftrainer der Mavericks, holte er 2011 die Meisterschaft. Als seine Ehrung bereits im April angekündigt wurde, reagierte Teamplayer Nowitzki in typischer Manier auf seinem Twitterkanal. Er stellte den Wert der Gruppe heraus – „ein toller Jahrgang“ – und fühle sich „geehrt und voller Demut“, ein Teil davon sein zu dürfen.


Wer einmal in die heiligen Hallen nach Springfield im Bundestsaat Massachusetts pilgern sollte, findet in der ballförmigen Kuppel zwischen all den Pionieren, Koryphäen, Ausnahmeathleten, Helden und Idolen künftig also auch ein Trikot des Mannes, der als blonder Schlaks einst dem Tennis und Handball abschwor, um in miefigen Würzburger Turnhallen seine ersten Körbe zu werfen. Jahre später dann sah ihm ein Millionenpublikum dabei zu. In Deutschland standen Sportfans jeden Alters regelmäßig nachts auf, um seine Spiele zu verfolgen – wie früher bei Boxkämpfen von Muhammad Ali.

Dirk Nowitzki, Dallas Mavericks


Sein Trikot hängt in Dallas bereits unter der Hallendecke, eine Statue gibt es auch schon: Dirk Nowitzki hat bei den Mavs seinen Legendenstatus sicher.
Getty Images


In Dallas, wo Nowitzki und seine Familie nach wie vor hauptsächlich leben und er seinen Klub als Berater unterstützt, haben sie ihm eine Statue vor die Arena gestellt, eine Straße nach ihm benannt und sein Trikot unter der Hallendecke in den ehrenvollen Ruhestand versetzt. Seine Nummer 41 wird bei den Mavs nie wieder vergeben.

Nowitzki: Ehrungen en masse – und sich immer treu geblieben


Der deutsche Basketball-Bund tat mit Nowitzkis Nummer 14 zu Beginn der Heim-EM 2022 das Gleiche. Auch fürs Nationalteam hat der große Blonde trotz zehrender NBA-Saisons fast jeden Sommer die Knochen hingehalten, insgesamt 153-mal, und ebenfalls Bemerkenswertes erreicht: WM-Bronze 2002, EM-Silber 2005 und die Olympia- Teilnahme 2008, als er in Peking als Fahnenträger die deutschen Athleten anführen durfte. Ein eindrucksvolles Erlebnis, für ihn neben dem NBA-Triumph das Größte.


Ehrungen und Auszeichnungen en masse für einen, der sich ohne Allüren und Skandale stets treu geblieben ist und bei allem Ausnahmetalent immer hart und aufopferungsvoll für den Erfolg trainiert hat. Zu bereuen hat Nowitzki im Kern nichts, außer vielleicht seine letzten beiden Karrierejahre, wie er mal zugab, weil er nun nicht mehr schmerzfrei laufen und mit den Kids im Garten kicken kann.


Seinen Realitätssinn und die Fähigkeit, die Perspektive zu wechseln, hat er sich trotz der langen Zeit im glitzernden, überdrehten US-Profizirkus bewahrt. „Ich finde es schon Wahnsinn: Ich kann relativ gut einen Ball in ein Körbchen reinschmeißen, weil ich 2,80 Meter groß bin. Aber es gibt wahrscheinlich Tausende andere Leute, die in ihrem Job genauso gut sind wie ich, die aber keine Sau kennt“, sagt Nowitzki in der 2014 erschienenen Doku „Der perfekte Wurf“.


Einen wie Nowitzki wird es so nicht noch mal geben. Zumindest aber stehen die Chancen nicht schlecht, dass er Geschwindners einzigen Wunsch an ihn noch erfüllen wird: als Individualcoach und Mentor neue Talente mitzuentwickeln und ihnen seine Werte zu vermitteln.


Dieser Artikel erschien erstmals in der kicker-Ausgabe Nummer 64 am 7. August 2023 (auch als eMagazine erhältlich).

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